09/09/2025
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bei Schwindel (眩晕症, Xuàn Yūn Zhèng)
Schwindel ist ein weit verbreitetes Symptom, das sich als Drehschwindel, Schwankschwindel oder als Benommenheit äußern kann. Während die westliche Medizin oft nach konkreten organischen Ursachen sucht, betrachtet die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) den Menschen als Ganzes. Dieser Artikel erklärt den TCM-Ansatz zu Ursachen, Behandlungen und den möglichen Vorteilen gegenüber der westlichen Medizin.
1. Ursachen (病因, Bìngyīn) und Krankheitsmechanismen (病机, Bìngjī) in der TCM
In der TCM wird Schwindel nicht als isolierte Krankheit, sondern als Zeichen einer inneren Ungleichgewichts betrachtet. Die Hauptfaktoren sind:
· Wind (风, Fēng): Oft als "interner Wind" (内风, Nèi fēng) bezeichnet. Er entsteht durch einen Überschuss an Yang-Energie, besonders der Leber (肝阳上亢, Gān yáng shàng kàng). Dies führt zu plötzlichen, heftigen Schwindelattacken, ähnlich einem Wirbelsturm im Kopf.
· Schleim/Feuchtigkeit (痰, Tán): Eine schwache Milz (脾, Pí) kann keine klaren Körpersäfte mehr produzieren, stattdessen entsteht "feuchter Schleim" (痰湿, Tán shī). Dieser Schleim kann nach oben steigen und den Geist trüben, was zu einem benebelten, schweren Gefühl im Kopf mit Übelkeit führt.
· Blutmangel (血虚, Xuè xū) und Qi-Mangel (气虚, Qì xū): Qi (Lebensenergie) und Blut nähren das Gehirn. Bei Mangel (oft durch Stress, schlechte Ernährung oder Erschöpfung) erhält das Gehirn nicht genug Nahrung – es entsteht ein Schwäche- oder Leere-Schwindel, der bei Anstrengung schlimmer wird.
· Nieren-Schwäche (肾虚, Shèn xū): Die Nieren speichern unsere Essenz (精, Jīng), die Grundlage für Knochenmark und Gehirn („Das Meer des Marks“). Eine Nierenschwäche führt dazu, dass dieses „Meer“ leer wird und Schwindel, Tinnitus und Vergesslichkeit auftreten.
2. Behandlungsmethoden in der TCM
Die TCM-Behandlung zielt darauf ab, die zugrundeliegende Ungleichgewicht zu korrigieren.
A. Chinesische Kräutertherapie (中药, Zhōngyào) Die Auswahl der Kräuterrezeptur erfolgt nach der spezifischen Diagnose:
· Bei Leber-Wind: Tian Ma Gou Teng Yin (天麻钩藤饮) – beruhigt die Leber, löst Wind.
· Bei Schleim/Feuchtigkeit: Ban Xia Bai Zhu Tian Ma Tang (半夏白术天麻汤) – stärkt die Milz, trocknet Feuchtigkeit, transformiert Schleim.
· Bei Qi- und Blutmangel: Gui Pi Tang (归脾汤) – nährt das Blut, kräftigt Qi und Milz.
· Bei Nieren-Schwäche: Liu Wei Di Huang Wan (六味地黄丸) – nährt die Nierenessenz.
B. Akupunktur (针刺, Zhēn cì) und Moxibustion (艾灸, Ài jiǔ) Bestimmte Punkte werden genadelt oder erwärmt, um den Energiefluss zu regulieren.
· Hauptpunkte: Fengchi (GB20, 风池), Baihui (DU20, 百会), Neiguan (PC6, 内关).
· Bei Leber-Wind: + Taichong (LV3, 太冲)
· Bei Schleim: + Zusanli (ST36, 足三里), Fenglong (ST40, 丰隆)
· Bei Blutmangel: + Xuehai (SP10, 血海)
· Bei Nieren-Schwäche: + Taixi (KI3, 太溪)
C. Lebenspflege (养生, Yǎngshēng) Empfehlungen für Ernährung (z.B. meiden von fettigen, schleimbildenden Lebensmitteln), Bewegung (Qigong, Tai Chi) und Stressmanagement sind zentraler Bestandteil der Therapie.
3. Vergleich: Stärken der TCM gegenüber der westlichen Medizin
Aspekt Westliche Medizin Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
Stärke Akutbehandlung, Präzision Ganzheitlichkeit, Ursachenbekämpfung
Ansatz Unterdrückt das Symptom. Findet die pathologische Ursache (z.B. Otolithen bei benignem paroxysmalem Lagerungsschwindel/BPLS, Entzündung). Behandelt die zugrundeliegende Dysbalance im Körper, die das Symptom verursacht.
Vorteile Schnell und wirksam in der Akutphase (z.B. Medikamente gegen Übelkeit, Lagerungsmanöver bei BPLS). Sehr gut in der Diagnostik struktureller Probleme. Natürlicher, nebenwirkungsarmer Ansatz. Reduziert die Anfallshäufigkeit und Stärke langfristig. Behandelt auch "unerklärlichen" Schwindel, für den die Schulmedizin keine Ursache findet. Stärkt die konstitutionelle Gesundheit.
Ideale Anwendung Akuter Notfall (Verdacht auf Schlaganfall!), klar definierte Erkrankungen wie BPLS, Morbus Menière, Neuritis vestibularis. Chronischer Schwindel, funktioneller Schwindel, Begleittherapie zu schulmedizinischen Behandlungen, Rezidivprophylaxe (Vorbeugung von Wiederkehr).
Zusammenfassung:
Die westliche Medizin ist unschlagbar, wenn es um die schnelle Diagnose und Behandlung akuter, lebensbedrohlicher oder mechanisch bedingter Schwindelursachen geht. Die TCM hingegen glänzt in der langfristigen, ganzheitlichen Betreuung des Patienten. Sie fragt nicht nur "Was ist kaputt?", sondern "Warum ist das Gleichgewicht gestört?" und kann so die Anfälligkeit für Schwindelattacken verringern.
Das Ideal: Integration statt Konkurrenz Der beste Ansatz für den Patienten ist oft eine Kombination beider Systeme: Die präzise Diagnostik der Schulmedizin sichert ab, dass keine ernste Erkrankung vorliegt. Die TCM kann dann dabei helfen, die zugrundeliegende Konstitution zu stärken, die Lebensqualität zu verbessern und Schwindel langfristig zu lindern.