11/10/2025
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𝗛𝗲𝘂𝘁𝗲 𝗶𝘀𝘁 𝗪𝗲𝗹𝘁𝗵𝗼𝘀𝗽𝗶𝘇𝘁𝗮𝗴. Und während anderswo der Alltag rauscht, sitzen in kleinen Zimmern Menschen, die nicht mehr nach vorn schauen – sondern nach innen.
Nicht, weil sie aufgegeben haben, sondern weil dort, in diesem inneren Raum, noch etwas zu bewahren ist: Nähe. Würde. Letzte Dinge.
Gestern schrieb ich über das, was man nicht sieht.
Über innere Räume, die verwundet sind, ohne dass sie bluten. Über seelische Zustände, die sich jeder klaren Diagnose entziehen, und doch so deutlich spürbar werden, wenn man bereit ist, nicht nur hinzusehen, sondern sich wirklich berühren zu lassen.
Heute schreibe ich wieder.
Weil der Kalender es so will, ja – aber vor allem, weil ich glaube, dass diese Tage zusammengehören.
Ich erinnere mich an ein Gespräch in einer Einrichtung, die ich begleite. Nicht geführt zwischen Tür und Angel, sondern in einer dieser Pausen, die entstehen, wenn man nicht fragt, sondern zuhört.
Eine Pflegekraft erzählte mir von einem Mann, schwer erkrankt, in den letzten Tagen seines Lebens.
Er sprach nicht mehr.
Aber er hörte noch zu.
Seine Tochter kam jeden Nachmittag.
Nicht mit großen Gesten, sondern mit einer Thermoskanne Kaffee – und zwei Bechern.
Sie setzte sich ans Bett, schenkte ein, sprach leise über den Garten, über Regen, über eine Ente, die beharrlich an einen leeren Teich zurückkehrt.
Der zweite Becher blieb stehen.
Unberührt, aber nicht bedeutungslos.
An einem dieser Nachmittage stellte eine Pflegekraft den Becher aus, tauschte ihn gegen einen, der warm blieb.
Sie sagte nur: „Fürs Gefühl.“
Und genau das blieb in mir.
Ein Satz, der keine Theorie braucht.
Weil er eine Haltung trägt.
Das Motto des heutigen Tages lautet: „Hospiz – Heimat für alle.“
Ein Satz, der nach Einladung klingt – und genau das ist.
Heimat ist nichts, was man besitzt.
Sie ist das, was entsteht, wenn man sich gesehen fühlt.
Nicht weil man stark ist.
Sondern weil man schwach sein darf.
Hospizarbeit heißt nicht, dem Leben beim Gehen zuzusehen.
Sondern es bis zuletzt zu würdigen.
Nicht durch laute Fürsorge.
Sondern durch stille Präsenz.
Durch den Mut, da zu bleiben,
wo andere schon nicht mehr wissen, was man sagen soll.
Ich erzähle diese Geschichte nicht, weil sie besonders ist.
Sondern weil sie alltäglich ist.
Und genau darin liegt ihre Kraft.
Denn vielleicht ist genau das Hospiz:
Ein Ort, an dem ein Becher Kaffee reicht,
um jemanden spüren zu lassen: Du bist nicht allein.
Du gehörst noch dazu.
Gestern haben wir über seelische Gesundheit gesprochen.
Heute über das letzte Zuhause.
Beide Tage erinnern uns daran, dass Menschlichkeit keine Spezialdisziplin ist.
Sondern das Fundament von allem.
Und dass Würde kein Zustand ist.
Sondern ein täglicher Entschluss.