27/04/2024
Wenn man heute in den Nürnberger Nachrichten liest, dass unser Verteidigungsminister mit seinem französischen Amtskollegen den europäischen Kampfpanzer auf den Weg gebracht hat, dann reibt sich der naive Leser verwundert die Augen, mit welcher Selbstverständlichkeit heute so eine Nachricht formuliert ist. Unterscheidet sich in der Sprache nicht von einer Nachricht, wenn ein neuer Autotyp auf den Markt kommt. Es ist von acht Säulen die Rede, welcher Partner sich um welchen Teil dieser Kriegswaffe kümmert. Es ist von Drohnenabwehr (darum kümmert sich Frankreich) die Rede und so weiter.
Ich wurde beim Lesen an meinen Besuch im Senckenbergmuseum in Frankfurt vor einigen Wochen erinnert, wo man bei den Stammbäumen sehen kann, wie weit die gepanzerten Baupläne in der Evolution des Lebens gekommen sind und welche Baupläne sich am Ende durchgesetzt haben. Panzerechsen waren es nicht.
Ich denke, wir müssen uns auch nicht auf einen Überfall mit Panzern vorbereiten, sondern der Krieg tobt auf einer ganz anderen Ebene jetzt schon: in Demokratien werden Stimmungen und Meinungsbildungsprozesse derzeit relativ erfolgreich beeinflusst. Manilpulierbarkeit der Meinungsbildung ist die Schwäche. Und das passiert, wenn die Menschen keinen klaren Kompass und Werte haben. Ich habe bereits mehrmals in Vereinen beobachten und auch selbst erleben dürfen, wie die Mechanismen funktionieren, wenn so etwas gezielt eingesetzt wird und Empörung Platz greift. Ich fürchte, dass auch unser Land an dieser Stelle (Opfer von gezielter Kommunikation) schwach ist, weniger bei Kampfpanzern. Empörung erzeugen ist das Mittel der Wahl. Und das funktioniert fast täglich in den Massenmedien und sekündlich in diversen Kommentarspalten.
Vielleicht hilft es, wenn man sich mal bei Jigoro Kano, dem Begründer des Judo, Rat holt: Eine seiner Prinzipien lautete: Siegen durch nachgeben. Daraus entwickelte er bestimmte Techniken, mit denen man den Gegner besiegen kann. Noch weiter ging Ueshiba Morihei, der mit seinem Aikido, der ausschließlich defensive Techniken entwickelte, die nicht das Ziel haben, den Gegner zu besiegen, sondern keine Angriffsfläche zu bieten, so dass ein potentieller Gegner immer wieder ins Leere geleitet wird bis er die Lust verliert, anzugreifen. Theoretisch allerdings leichter gesagt als praktisch gemacht.
Ein Blick auf die Evolution des Lebens auf der Erde zeigt uns, dass diejenigen Lebensformen bisher am erfolgreichsten waren, die sich klug an vorgegebene Bedingungen anpassten und ihre Nische fanden. Der Mensch des Jahres 2024 scheint wieder geistig zurückzufallen in das Prinzip, mit immer mehr Panzerung und grausamer Zerstörung von vermeintlich gegnerischen Infra-Strukturen und damit Lebensgrundlagen als auch der Biosphäre als Ganzem, zumindest der Biosphäre, die aus Sicht des Menschen lebensfreundlich ist. Und jetzt nochmal den Artikel lesen "Europas Kampfpanzer wird rollen" auf Seite 4 der Nürnberger Nachrichten von heute.