21/04/2024
Brechdurchfall psychosomatisch erklärt:
„Ich scheiß und kotz drauf.“
Wenn Erbrechen und Durchfall zusammenkommen, hat jedenfalls die erste sinnliche Kontrollinstanz von Sehen, Schmecken und Riechen versagt. Der Organismus ist dramatisch entschlossen, den begangenen Fehler so rasch wie möglich und über alle Schleusen wieder rückgängig zu machen. Aus der kindlichen Perspektive handelt es sich um Verweigerung auf der ganzen Linie. Nichts darf mehr herein, kind spuckt und „scheißt“ auf alles zugleich - oben wie unten. Und so tritt die Nahrung einerseits im Erbrechen den Rückwärtsgang an, andererseits prescht sie im Durchfall voran – beides Strategien, um sich nur ja nicht mit ihr einlassen zu müssen. Selbstverständlich sind die Auswirkungen auf den Salz- und Wasserverlust doppelt dramatisch.
Der Organismus signalisiert vehement, dass er die akute Lebenssituation nicht verdauen kann. Damit er nichts herein lassen muss, werden alle Wege geöffnet, um das Unverdauliche wieder loszuwerden.
Die Aufgabe liegt denn auch darin, im umfassenden Sinn loszulassen, was man nicht verarbeiten kann und will. Ob man alles durch sich hindurch lässt oder auch aktiv von sich gibt, ist egal angesichts der wesentlichen Aufgabe, sich in keiner Weise zu verwickeln. Frei bleiben von all den Angeboten, sich nicht einwickeln zu lassen. Buddhisten sprechen davon, das Rad der Welt zu drehen, ohne an ihm hängen zu bleiben. Man könnte sogar auch an die Kunst von Bhoga denken, jenes östliche „Weltessen“, ohne sich in der Welt zu verlieren. Natürlch ist das für Kinder erst mal weit weg, aber es könnte Eltern als Hintergrundgedanke helfen. Brechdurchfall zwingt das Kind zum Rückzug, da es wegen Schwäche und bei älteren Kindern der Notwendigkeit, sich nicht zu weit vom WC zu entfernen, in seinem Bewegungsspielraum eingeschränkt ist. Bei Essen und Trinken muss ein neues Maß gefunden werden, da die „normale“ Menge unweigerlich den Aufruhr im Magen – Darm – Trakt wiederbelebt.
Weitere Deutungen finden sich in den Kapiteln „Durchfall“ und „Erbrechen“.
Unterstützende Maßnahmen:
• Trinken: Wegen des großen Flüssigkeitsverlustes muss das Kind viel Wasser oder/ und Tee trinken. Hierzu bieten sich Tees an, die viele Gerbstoffe enthalten, sie beruhigen die Darmschleimhaut. Heidelbeertee aus getrockneten Heidelbeeren, Brombeerblätter- oder Mäusekleetee. Auch warmer Schlehensaft ist geeignet. Täglich ein bis drei Tassen eventuell leicht gesüßt mit etwas Honig oder Birnendicksaft. Oft trinken Kinder zu wenig und drohen so schnell auszutrocknen. Das erkennt man an einer deutlich eingesunkenen Fontanelle. Die sonst so pralle Haut wirkt trocken und bleibt in Falten stehen, das Kind ist fahl und sehr blass, die Augen sind eingesunken und haben dunkle Ringe. Dieser Zustand kann schnell lebensbedrohlich werden, d.h. es muss sofort Abhilfe geschaffen werden, zur Not auch im Krankenhaus über entsprechende Infusionen. Ein Einlauf, wie im Kapitel Fieber beschrieben, kann helfen, hier vorzubeugen. Das Kind nimmt dann über den Darm Flüssigkeit auf und trinkt sozusagen von hinten.
• Größere Kinder können auch schwachen Schwarztee zu sich nehmen.
• Möglichst auf Nahrung verzichten lassen (gut gemeinte Sprüche wie:“ Kind, du musst doch etwas essen…“ sind hier absolut kontraproduktiv. Der Darm soll sich beruhigen und so schnell verhungert auch kein Kind. Nach überstandener Krankheit kehrt der Appetit in der Regel von alleine zurück und das Kind holt sich alles, was es braucht.), es sei denn das Kind verlangt ausdrücklich nach Essen. Dann geben Sie aber auf keinen Fall Milchprodukte, Zucker, Süßigkeiten und fette Speisen. Erlaubt ist leichte Kost wie Kartoffeln, Reis, gedünstetes Gemüse, Karottensuppe bzw. Karottensud, geriebener Apfel (den geriebenen Apfel stehen lassen, bis er braun ist), Zwieback oder Salzstangen.
• Für den Karottensud werden vier große Karotten geschält und ca. eine Stunde in einem halben Liter Wasser gekocht. Auch Babys und Kleinkinder können hiervon löffelweise etwas zu sich nehmen. Alternativ dazu kann ein Glas Hipp® Frühkarotten im Verhältnis 1:1 mit Wasser verdünnt werden.
• Stillkinder sollen unbedingt nach Bedarf weiter gestillt werden. Nicht abstillen!
• Elektrolytlösung: Um den Flüssigkeits- und Salzverlust auszugleichen kann man auf Fertigpräparate (z.B. Oral-Pädon®) zurückgreifen oder eine Lösung selbst herstellen: Auf 1 Liter gutes Quellwasser gibt man
¾ Teelöffel Tafelsalz
1 Teelöffel Backpulver
1 Tasse Orangensaft
4 Esslöffel Rohrzucker
• Heilerde (Luvos ultra®) ist teelöffelweise oder in Wasser aufgelöst für ältere Kinder geeignet.
• Eine Wärmflasche oder ein Kirschkernkissen können lindernd wirken und werden von den meisten Kindern gerne angenommen.
• Warnung: Bei Säuglingen und Babys immer einen erfahrenen Therapeuten zu Rate ziehen.
• Hinweis: Der Stuhl von gestillten Kindern ist meist dünn bis flüssig. Dies ist kein Durchfall, sondern die normale Konsistenz des Milch- oder Stillstuhls.
• Ingwertee (drei Zentimeter frische Ingwerwurzel schälen, klein schneiden und in einem Liter Wasser aufkochen und dann 10 Minuten ziehen lassen) hilft gut gegen Brechreiz, ist aber oft für Babys und Kleinkinder zu scharf. Sie trinken besser Melissentee, der den Magen beruhigt.
• Ein warmer Kamillenwickel beruhigt den Magen. So wird er gemacht: Ein Gästehandtuch in warmen Kamillentee tauchen, auswringen und auf den Bauch des Kindes legen. Mit einem trockenen Tuch abdecken. Zur Wirkungssteigerung kann noch eine Wärmflasche aufgelegt werden. Den Wickel ca. 15 Minuten liegen lassen und ggf. erneuern.
• Fenchelsamen. Eine Abkochung aus Fenchelsamen ist wirksam gegen Übelkeit und Erbrechen. So wird er gemacht. 1 Teelöffel zerdrückte Fenchelfrüchte mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und 10 Minuten ziehen lassen, dann abseihen. Schluckweise trinken lassen.
• Wenn das Kind einmalig erbricht (z.B. nach Überessen, zu vielen Süßigkeiten o.ä.), handelt es sich um eine sinnvolle und gesunde Reaktion des Organismus, um sich zu entlasten und von giftigen oder unverträglichen Substanzen zu entledigen. Fühlt sich das Kind danach wieder gut, ist eine Behandlung überflüssig, es sollte nur an diesem Tag leichte Kost zu sich nehmen. (Tee, Zwieback, Reis, gedünstetes Gemüse).
Fragen für Eltern:
• Was bekommt unserem Kind am besten?
• Was will es loswerden?
• Was kann es nicht schlucken und verdauen?
• Was möchte unser Kind zu sich nehmen, und was braucht es?
• Worauf kann es sich nicht einlassen?
• Wie bekommen wir Zugang zum „Riecher“ unseres Kindes?
• Wie steht es mit unserer Hingabefähigkeit?
• Wovor hat unser Kind Angst? Wie können wir ihm Mut machen, sich auf Neues/ Fremdes einzulassen?
• Wogegen wehrt sich unser Kind? Wie können wir ihm helfen, sich einfacher und gesünder zu wehren?
• Welchen Ballast will es loswerden?
• Wie kann es gelassener werden?
Aus: Krankheit als Sprache der Kinderseele (Dahlke/ Kaesemann) Bertelsmann