14/06/2025
Es gab einen Moment in meinem Leben, der mich in die tiefsten Tiefen meiner Seele führte – nicht durch äußeren Sturm, sondern durch einen inneren Zusammenbruch, der leise, aber unaufhaltsam kam: Meine erwachsene Tochter – mein drittes Kind – brach den Kontakt zu mir ab.
Da war keine große Szene. Nur ein plötzliches Schweigen. Ein Loslassen, das nicht gefragt hat, ob ich bereit dazu war. Und in diesem Schmerz, der durch Mark und Seele ging, begann meine Reise – eine, die ich mir so nie ausgesucht hätte, die mich aber zutiefst verwandelt hat.
Ich bin viele Jahre zuvor schon Gott begegnet – nicht in religiösen Regeln, sondern als Quelle bedingungsloser Liebe. Nach einer sehr schmerzlichen Erfahrung des Loslassens hatte er damals schon mein Herz berührt und geheilt. Doch diesmal war es anders. Tiefer. Persönlicher. Schmerzhafter. Diesmal musste ich lernen, mich selbst auszuhalten. Meine Hilflosigkeit. Mein eigenes Versagen. Meine Vergangenheit, die auch meine Kinder gezeichnet hat.
Ich erkannte: Meine Tochter trug nicht nur ihre eigenen Ängste. Sie trug auch Spuren meiner eigenen Geschichte – einer Geschichte voller Brüche, Unsicherheiten und Traumata, die unbewusst weitergegeben wurden. Und ich – ich wollte verstehen. Nicht um sie zurückzuholen. Sondern um ihr gerecht zu werden. Um liebevoll und wach zu werden. Und das war der Anfang einer neuen Berufung.
Ich wurde christlich-psychologische Beraterin, Trauma-Pädagogin und Trauma-Beraterin – nicht aus Neugier oder Zufall, sondern weil mein Mutterherz aufgebrochen war. Weil ich nicht mehr wegsah. Weil ich mich selbst stellen wollte – und den Menschen, die wie meine Tochter sind: voller innerer Not, voller Sehnsucht, aber auch gefangen in Ängsten, alten Mustern und traumatischen Erfahrungen.
Und mitten in diesem Prozess – mitten in der Dunkelheit – veränderte sich auch mein Gottesbild. Ich hörte auf, die kleine, bittende, machtlose Person zu sein, die in religiöser Demut darum fleht, dass ein ferner Gott vielleicht irgendwann eingreift. Ich durfte erfahren: Er war längst da. In mir. In meiner Schwäche. In meinem Zerbruch. Er hatte in mir Wohnung genommen.
Und das war der Wendepunkt.
Ich erkannte, dass meine größte Schwäche sein Einfallstor war. Dass seine Liebe nicht von meiner Leistung abhing, sondern meine neue Stärke wurde. Diese göttliche Gegenwart in mir wurde zu einer Quelle, die nicht versiegt – sie fließt. Sie tröstet. Sie hält. Und sie heilt – mich und die, die mir anvertraut werden.
Und obwohl ich meine Tochter loslassen musste, habe ich später neue Töchter aufnehmen dürfen. Junge Frauen, die heute zu meiner Familie gehören. Sie kamen nicht als Ersatz. Sondern als Geschenk. Als Ausdruck der Gnade, die mich trägt. Als Zeichen dafür, dass Liebe sich nicht beschränken lässt – sie findet immer neue Wege, neue Räume, neue Herzen.
Heute darf ich Menschen begleiten, die – wie ich – durch Verlust, Ablehnung oder tiefes inneres Ringen gehen. Ich darf ihnen helfen, ihre eigenen Muster zu erkennen, ihre Wunden zu verstehen und vor allem: ihre Quelle zu entdecken. Denn ich weiß aus tiefster Erfahrung – dort, wo wir zu fallen glauben, beginnt oft erst unser wahres Leben.
Ich bin durch das Tal gegangen. Ich habe mich selbst gefunden – und Gott tiefer erkannt, als ich es je für möglich gehalten hätte. Und was ich heute bin, bin ich durch seine Liebe.
Nicht weil ich stark war.
Sondern weil ich gebrochen wurde – und dort gehalten.