02/03/2020
Das Schulter-Impingement. Jeder hat schon einmal davon gehört. Es ist die häufigste Diagnose bei Schulterschmerzen. Symptome sind Schmerzen in der Schulter, die beim Anheben und Abspreizen des Armes auftreten. Ebenfalls ist die Bewegung der Hand auf den Rücken schmerzhaft.
Aber was steckt hinter diesem Begriff „Impingement“? Und ist es überhaupt die Ursache für die Schulterschmerzen? Was kannst Du selber gegen diese Beschwerden in der Schulter tun? Lasst es uns herausfinden.
Die Theorie stammt von Charles Neer. Er beschrieb vereinfacht ausgedrückt, dass eine Sehne der Schultermuskeln (Sehne vom Supraspinatus) oder andere Strukturen der Schulter mit dem Schulterdach beim Anheben des Armes aufeinander stoßen (siehe Grafik). Dementsprechend empfah ler gegen die Beschwerden den Bereich unterhalb des Schulterdachs zu erweitern, um den Strukturen unterhalb des Schulterdachs wieder Platz zu geben.
Auch seien nach Neer 95% aller Risse des Supraspinatus auf ein Impingement zurückzuführen. Wichtig: Keiner der Aussagen von Neer wurde zu dieser Zeit auch wirklich untersucht. Es waren einfach nur reine Behauptungen ohne Beweise.
Lasst uns nun die Fakten anschauen:
✔️Hauptauslöser für Risse des Supraspinatus ist das Alter, was auf einen normal degenerativen Prozess hinweist
✔️mehr Risse des Supraspinatus findet man auf der tieferen, gelenknahen Seite und nicht auf der oberen acromialen Seite
✔️keinen Unterschied des Vorkommens der Risse zwischen Impingement- und Nicht-Impingement-Patienten
✔️Impingement tritt unabhängig der Form des Schulterdachs auf (Typ I - Typ III)
Interessant: Die CSAW-Studie und FIMPACT-Studie zeigen, dass eine Placebo-OP genauso effektiv wie eine tatsächlich stattfindende Operation ist. Falls die Struktur wirklich der Auslöser des Impingement sein soll, dann würde die Placebo-OP nicht so gut abschneiden. Diese Ergebnisse zeigen uns, dass die Struktur in den seltensten Fällen die Ursache des Impingements ist.
Was ist denn nun das Schulter-Impingement? Das Schulter-Impingement hat seine Ursache in den allermeisten Fällen nicht bei der Struktur, sondern ist wie die meisten Schmerzen durch sehr viele Faktoren bedingt:
✔️psychologische Faktoren
✔️soziale Faktoren
✔️Nervensystem
✔️Krankheit und Gesundheit
✔️körperliche Faktoren
✔️nicht beeinflussbare Faktoren
✔️strukturelle Faktoren
Ebenfalls müssen wir wissen, dass ein Impingement von Strukturen etwas völlig normales und harmloses ist. Sobald wir eine Faust machen, das Knie oder den Ellenbogen beugen, Kniebeugen ausführen, etwas tragen oder schon auf unseren Füßen stehen sorgen wir für ein Impingement der jeweiligen Strukturen. Nahezu niemand hat bei den oben aufgezählten Bewegungen Schmerzen, obwohl wir für ein Impingement sorgen. Wir sehen also: Ein Impingement ist etwas normales, harmloses und keine klinische Diagnose.
Ich habe nun ein Impingement? Was kann ich effektiv dagegegn tun? Schmerz ist immer durch sehr viele Faktoren bedingt. Dementsprechend müssen wir, um langfristig unsere Schmerzen zu lindern und Schmerzen vorzubeugen, auch an ein paar Stellschrauben drehen. Die wichtigsten Punkte, die jeder umsetzen kann:
✔️Schlaf: 8 – 9 Stunden
✔️abwechslungsreiche Ernährung, die Makro- und Mikronährstoffe sowie Ballaststoffe abdeckt
✔️weniger bis kein Rauchen
✔️bei Übergewicht: Gewichtsabnahme
✔️mehr Aktivität, Bewegung und / oder Sport
✔️Stressreduktion
✔️Ich-orientierte Ziele umsetzen
✔️Schmerzakzeptanz
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Referenz Bild
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