10/11/2024
Heute vor 7 Jahren, am 10.11.2017 wurden wir beide aus unseren Leben katapultiert.
Jeder aus seinem und aus unserem gemeinsamen.
Michael erlitt eine Gehirnblutung im Mittelhirn, deren körperliche, geistige und kognitive Folgen nicht absehbar waren.
Gleichzeitig glich es einem Wunder, dass er nicht gleich an dieser Blutung starb. Kaum jemand überlebt so ein Ereignis, wie wir heute wissen.
Unsere Pläne, unsere Träume, unsere Bedürfnisse waren schlagartig begraben, Schnee von gestern.
Der Fokus lag nur noch darauf Michael zu helfen zu überleben und möglichst viele seiner Fähigkeiten zurückzuerobern.
Michael hat an das erste Jahr kaum Erinnerungen. Sicher schützt die Seele sich vor den traumatischen Ereignissen. Ich hingegen weiss jedes Datum, jeden winzigen Erfolg, jede Unterstützung und jeden Gegenwind noch als wäre es gestern gewesen.
Aus Michaels komatösem Zustand und der völligen Bewegungsunfähigkeit, wurde Spontanatmung und kleine Reaktionen auf Fragen.
Winzige Mobilisierungserfolge wurden von mir gefeiert, als wären sie ein Grossereignis.
Michael überlebte zwei schwere Schädel-Opes, eine Lungenentzündung, eine Meningitis und eine Unterernährung.
Nach 7 Monaten konnte er -dank seiner wunderbaren Therapeutin, die mich eingewiesen hat, wie ich mit Michael außerhalb der Therapie schlucken üben kann, und ich mit Micha fleissig geübt habe, -wieder breiige Nahrung zu sich nehmen. Heute isst er wieder alles, entgegen der niederschmetternden Prognosen der Ärzte. Er verschluckt sich allerdings oft und furchterregend.
Doch Essen und Trinken bedeutet so viel Lebensqualität, dass wir das Damoklesschwert, das über Michael beim Essen schwebt, ignorieren.
Wir trinken auf das,was wir in den 7 Jahren geschafft haben.
Wir trinken auf das, was gut war und gut geworden ist.
Wir danken jedem einzelnen, der uns auf diesem anstrengenden und kräftezehrenden Weg bis hierher begleitet hat.
Ich habe gelernt, dass man Unterstützung erfährt aus Richtungen mit denen man nicht gerechnet hat. Und ich habe erfahren, dass Menschen einem genau dann den Rücken kehren, wenn man in der Überforderung eine zeitlang nicht funktioniert. Danke für diese Erfahrung, sie hat mich weiter gestärkt.
Ich bin stolz auf Michael, dass er immer noch weiter daran arbeitet weiter zu kommen und seine Fähigkeiten auszubauen.
Ich bin stolz auf mich, die ihn seit 7 Jahren 24/7 darin unterstützt.
Gleichzeitig habe ich meine Arbeit als Herzhumoristin & Kabarettistin weiterentwickelt. Trotz der Pandemie und ihren Auswirkungen auf die Kleinkunstszene und ohne Unterstützung der Medien, bin ich noch auf den Bühnen des Landes unterwegs.
Und mein Herzensprojekt der freien Rednerin, vor allem die Trauerreden, gehören seit 2021 zu mir wie die Luft zum Atmen.
Das nächste grosse Projekt ist, einen Weg zu finden, dass meine persönlichen Bedürfnisse einen Platz finden innerhalb dieser Mamutaufgabe Pflege - Beruf - Haushalt .
Ich weiss, ich spreche den 2.5 Mio pflegenden und berufstätigen Angehörigen aus dem Herzen. Es scheint uns häufig aus zeitlichen und vor allem auch finanziellen Gründen unmöglich zu sein, uns Freiräume zu schaffen.
Doch wer soll für uns sorgen, wenn nicht wir selbst?
Wenn wir versäumen auf uns zu achten, brauchen wir bald selbst Pflege. Eines steht fest - von den „Bewunderern“ kommt keiner und reicht die Hand.
Unser Weg, Michaels und meiner, wird steinig bleiben.
Doch wir sind fest entschlossen aus den Steinen ein Haus zu bauen. Es wird garantiert sehr schief.
Sabine & Michael