29/04/2025
DR. ERDAL'S GESUNDHEITSTIPPS
Hyperakusis: Wenn Geräusche bedrohlich werden
Hundegebell, Gespräche oder das Klingeln des Telefons gehören zu den Alltagsgeräuschen, die als ganz natürlich empfunden werden. Zumindest bei Menschen, die nicht unter der Hyperakusis leiden, der Geräuschüberempfindlichkeit.
Selbst mäßig laute bis leise Geräusche unterhalb von 70 dB können dann als unangenehm empfunden werden und Betroffene nicht nur nervös oder aggressiv reagieren lassen, sondern sogar Herzrasen, Bluthochdruck oder Schweißausbrüche auslösen.
Zur Einordnung: Lärm wird in der Einheit Dezibel (dB) angegeben. Die Hörschwelle eines normal hörenden Menschen liegt bei 0 dB, Waldrauschen und Flüstern liegen im Bereich von 0 bis 20 dB, Weckerticken oder das Hinter-grundrauschen des nächtlichen Verkehrs bringen es auf 20 bis 40 dB - und sind für viele Menschen ein Grund für Schlafstörungen. Die normale Gesprächslautstärke sind 40 bis 60 dB, ein lautes Gespräch oder das Vorbeifahren eines Autos bringen es auf 60 bis 80 dB, der Geräuschpegel eines Rasenmähers liegt bei 80 dB.
In Deutschland leiden nach Schätzungen zwischen 800.000 und einer Million Menschen an der Hyperakusis - mit steigender Tendenz. Oft trifft es Patienten mit Tinnitus, rund 40 Prozent von ihnen haben nicht nur mit dem ständigen Ohrgeräusch zu kämpfen, sondern auch mit der Überempfindlichkeit.
Dabei hören von Hyperakusis Betroffene nicht besser als andere Menschen, bei ihnen ist die Toleranzgrenze gegenüber Geräuschen und Geräuschpegeln, die sonst als normal betrachtet werden, herabgesenkt.
Experten gehen davon aus, dass die Verarbeitung der Hörsignale im Gehirn gestört ist. Normalerweise ist dieses in der Lage, wichtige von unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden und letztere auszublenden. Bei Menschen mit Hyperakusis scheint dieser Mechanismus nicht zu funktionieren. Ein Grund dafür könnten Störungen der Haarzellen im Innenohr sein. Sind diese abgeknickt, verzerrt sich der empfangene Ton - und es kommt zur Überempfindlichkeit.
Vor allem Stress kann die Hörsignale beeinflussen und eine Überempfindlichkeit auslösen. Vorübergehend sind meist Erkrankungen z.B. aufgrund einer Migräne.
Auch die Reizüberflutung der modernen Gesellschaft wird als Ursache der Störung diskutiert. Experten sprechen dann davon, dass die Verarbeitung des Reizfeuerwerks aus TV, PC, Handy und Co. das Gehirn überfordert.
Die Geräuschüberempfindlichkeit wirkt sich massiv auf die Lebensqualität aus. Viele Betroffene wagen nicht mehr, aus dem Haus zu gehen, um alltägliche Verrichtungen zu unternehmen.
Häufig wird zur Therapie ein so genannter Noiser eingesetzt, der wie ein Hörgerät aussieht und das "rosa Rauschen" produziert. Dabei handelt es sich um ein Frequenzspektrum, das dem der Alltagsgeräusche entspricht und das Gehirn umtrainieren soll. Je nach Schweregrad und Trainingszeit dauert diese Desensibilisierung zwischen sechs und 24 Monaten - weist allerdings mit 99 Prozent eine hohe Erfolgsquote bei Hyperakusis auf.