30/09/2025
Das Besenmännchen vom Spessart
Ich will euch heute von einer Sage erzählen, Kinder des Nebels, die so alt ist wie die Erinnerung selbst. Von einem Freund will ich euch berichten und von einem Kinde, dessen Dankbarkeit so hell strahlte wie die Morgensonne.
Es war in einem jener Jahre, da der Winter hart war und die Bauern mit bangem Herzen in die Scheunen blickten, ob die Vorräte reichten. In einem kleinen Dorf am Rande des Spessarts lebte ein Mädchen namens Greta. Sie war arm, doch fleißig, und half ihrer Mutter Tag für Tag, die Hütte in Ordnung zu halten.
Eines Abends, als Greta den Hof fegte, hörte sie hinter sich ein leises Kichern. Sie wandte sich um, da stand ein winziges Männchen, kaum so groß wie ihr Knie, mit grauem Bart, roten Bäckchen und einem Reisigbesen in der Hand.
„Schurr, schurr,“ machte er und fuhr flink über den Boden, sodass selbst der feinste Staub verschwand.
„Hab Dank, kleines Männlein,“ sagte Greta verwundert. „Doch weshalb hilfst du mir?“
Das Wesen lächelte verschmitzt: „Wer mit reinem Herzen fegt, den unterstütze ich. Doch gedenke: Ein Geschenk ist’s, kein Knechtsdienst.“
Von da an kam das Besenmännchen immer wieder. Mal fegte es die Scheune, mal räumte es den Stall. Und stets hinterließ es nur das leise „Schurr, schurr“ in der Nacht. Greta stellte ihm ab und an eine Schale Milch hin, und das Männchen nickte dankbar.
Doch nicht alle im Dorf waren so gütig. Ein Bauer, reich an Vieh und Land, hörte von dem Geistlein und wollte es zu seinem Nutzen zwingen. „Wenn es Mist wegtragen kann, dann soll es meinen ganzen Hof fegen!“ rief er spöttisch. Er stellte ihm drei riesige Schubkarren Mist vor die Hütte und lachte.
Das Besenmännchen tat, was verlangt war, schnell wie der Wind fegte und schob es, doch bei der dritten Fuhre blieb es stehen. Es schlug den Besen entzwei, stampfte mit dem Fuß und rief:
„Wer mich achtet, dem helf’ ich; wer mich knechtet, den feg’ ich hinaus!“
Am nächsten Morgen wachte der Bauer auf, mitten in seiner Stube, zwischen seinem eigenen Mist. Das ganze Dorf lachte ihn aus, und das Besenmännchen ward von diesem Tag an dort nicht mehr gesehen.
Greta aber, die niemals gierig war, hörte bis an ihr Lebensende manchmal in stillen Nächten vor ihrer Tür das „Schurr, schurr“ und wenn sie es vernahm, wusste sie: Nicht alle Geister sind zum Fürchten da. Manche lehren uns nur, dankbar zu sein.
Hütet euch, Hilfe in Knechtschaft zu verwandeln. Dankbarkeit ist der Schlüssel, der die unsichtbaren Türen öffnet, durch die kleine Wunder in unser Leben treten.
Mögen die Gottheiten stets über euch wachen!