31/05/2021
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Heute haben mir gleich mehrere meiner Follower*innen einen Artikel vom ORF geschickt, in dem eine Orthopädin Aussagen zur Fußgesundheit trifft, die teilweise längst wissenschaftlich widerlegt sind. Der Bitte, einen Beitrag dazu zu schreiben, komme ich gerne nach 😉
Den besagten ORF-Artikel findet ihr hier: https://help.orf.at/stories/3206817
Aussage 1: Dünne Sohlen ohne Dämpfung oder Fußbett führen zu einer Abflachung des Fußgewölbes und in der Folge zu einem Fersensporn.
Falsch. Wir sind zum Barfußgehen geboren. Zahlreiche Studien zeigen, dass konventionelle Schuhe den Bewegungsablauf verändern und die Fußmuskulatur in ihrer Aktivität hemmen. Je barfußähnlicher ein Schuh (Barfußschuhe/Minimalschuhe), desto weniger Abweichungen im Gangbild und den Muskelaktivitäten. Wer viel mit gedämpften Sohlen geht, verlernt die muskuläre Stoßdämpfung. Dann kann es tatsächlich zu Beschwerden kommen, wenn man plötzlich keine dicken Schuhsohlen mehr hat und alle Stöße ungebremst auf den gesamten Bewegungsapparat wirken. Die Ursache sind allerdings die Schuhe selbst bzw. das dadurch angewöhnte Gangmuster.
Studien an Läufer*innen zeigen, dass barfuß weniger Stöße in den Gelenken ankommen als mit gedämpften Laufschuhen – sofern man geübt ist und das muskuläre Stoßdämpfen wiedererlernt hat. Ein zu schneller Umstieg kann auch hier zu Beschwerden führen.
In einem Fußbett kann die Fußmuskulatur nur eines tun: Schlafen. Daher auch der Name 😉
Aussage 2: Der Schuh soll den Fuß mit fester Fersenkappe umschließen und stützen, damit das Fußgewölbe nicht abflacht.
Falsch. Wie vorher erwähnt, je fester der Schuh, desto geringer die Aktivität der Fußmuskulatur. Muskeln, die man nicht oder nur wenig benutzt, werden schwächer (use it or lose it). Je schwächer die Fußmuskulatur, desto flacher das Fußgewölbe, im Extremfall bis hin zum Plattfuß. Ein gesundes Fußgewölbe behält man also dann, wenn man die zugehörige Muskulatur benutzt, und das tut man in festen Schuhen nur unzureichend. Studien an Kindern mit Knicksenkfuß, also abgeflachtem Fußgewölbe, zeigen, dass korrigierende Schuhe hier wirkungslos sind. Im Schuh ist der Fuß zwar in einer guten Position, aber ohne Schuh knickt er genauso ein wie vorher. Dasselbe gilt für orthopädische Einlagen, die den Fuß passiv in die gewünschte Form bringen. Eigentlich ist das Aufgabe der Muskulatur! So kann sie nicht stärker werden.
Aussage 3: Längeres Tragen von Schlapfen oder Flipflops führt zu Zehenkrallen, damit man den Schuh nicht verliert, und verursacht einen Spreizfuß.
Der erste Teil ist richtig: Schuhe, die nicht an der Ferse befestigt sind, führen zu unnatürlichen Muskelaktivitäten, v.a. in den Zehen, da man ohne diese die Schuhe verlieren würde. Das ist natürlich nicht wünschenswert – daher besser Sandalen wählen, die man am Knöchel verschließen kann. Einen Spreizfuß, wie die Orthopädin meint, verursachen Flipflops allerdings nicht. Dieser entsteht durch Schuhe, die an den Zehen zu schmal sind, sodass diese zusammengedrückt werden und die Grundgelenke am Ballen als Folge auseinanderweichen. Der Spreizfuß zeigt sich daher oft in Kombination mit einem Hallux valgus (abgeknickte Großzehe). Wer einem Spreizfuß und Hallux valgus vorbeugen will, wählt daher am besten Schuhe mit viel Platz für die Zehen und verzichtet auf hochhackige Schuhe, da in diesen zusätzlich zu den gequetschten Zehen auch noch sehr viel Belastung auf dem Vorfuß liegt, bei gleichzeitig überstreckten Zehen.
Aussage 4: Barfußgehen auf ebenem Boden (zB im Haus) schadet den Füßen, nur auf unebenem Boden stärkt es die Muskulatur.
Falsch. Natürlich ist die Fußmuskulatur auf Unebenheiten aktiver, aber das macht Barfußgehen auf ebenem Boden noch lange nicht schädlich. Wie absurd wäre denn das? Es gibt auch in der Natur ebene und harte Böden, zB ausgetrocknete Erde oder Fels. Bräuchten wir dafür Schuhe, wären wir damit geboren. Unser Fuß hat sich durch die Evolution genau so entwickelt, wie er sein soll. Es gibt massenhaft Beispiele von Menschen, die ausschließlich barfuß oder in Barfußschuhen gehen und gesunde und starke Füße haben. Viele können nach einem behutsamen Umstieg von konventionellen Schuhen sogar dabei zusehen, wie sich bestehende Fuß- und Zehenfehlstellungen verringern, die Füße beweglicher und stärker werden und das Fußgewölbe höher. Manchmal ist hierbei allerdings professionelle Unterstützung nötig, zB in Form von Physiotherapie, da nicht jeder Mensch wie von selbst wieder lernt, „richtig“ zu gehen und seine Fußmuskulatur einzusetzen. Wer hier eine/n Physio sucht, wählt am besten eine/n mit speziellen Fortbildungen in dem Bereich, zB Spiraldynamik oder Podotherapie.
Aussage 5: Je mehr man die Füße benutzt und spielerisch in den Alltag einbindet (egal ob bei Kindern oder Erwachsenen), desto aktiver ist die Fußmuskulatur.
Richtig! Ist es dann nicht etwas paradox, gleichzeitig festes Schuhwerk zu empfehlen? 😉
Aussage 6: Schuhe mit Absätzen über 5cm sind schädlich.
Richtig! Allerdings gilt das für jede Erhöhung der Ferse und nicht erst ab 5cm. Wäre ein kleiner Absatz sinnvoll, wären wir damit geboren. Konventionelle Schuhe haben im Gegensatz zu Barfußschuhen so gut wie immer eine Sprengung (=Fersenerhöhung), auch wenn man sie nicht sieht. Das führt zu Veränderungen der gesamten Körperstatik und oft zur Verkürzung der Wadenmuskulatur. Eine Folge kann zB ein Fersensporn sein – der manchmal erst wehtut, wenn man mehr barfuß geht. Das ist aber nicht die URSACHE. Was wären wir für eine Fehlkonstruktion, wenn Barfußgehen so ein Problem wäre?
Ich freue mich sehr, wenn ihr meinen Beitrag teilt 😊
(Mein Onlinekurs „Wie bleiben Kinderfüße gesund und was zeichnet gute Schuhe aus?“ ist gerade vorbei und wird erst im Herbst wieder stattfinden.)