23/10/2025
Heinrich Procházka (* 22.10.1885 in Erdevik, +17.10.1964 in Linz)
Procházka erblickte 1885 im Dorf Erdevik das Licht der Welt – damals noch im Kronland Slawonien der österreichisch-ungarischen Monarchie, heute in der serbischen Provinz Vojvodina.
Mit 6 Jahren ertaubte Procházka. Er ging auf die Schule am k.k. „Taubstummeninstitut“ auf der Favoritenstraße in Wien 4. von 1895 bis 1902. Immer als Vorzugsschüler im Lernen wie Zeichnen obenan, hatte von der 5. Klasse an bereits Interesse am Leben und Treiben der erwachsenen gehörlosen Menschen. Er las den „Taubstummen-Courier“, erfuhr vom Sportleben und geistigen Kämpfen tauber Mitmenschen und wurde von all dem gefesselt.
Während der Schulzeit (Schuljahr 1901/02) entstand zusammen mit Karl Altenaichinger der Gedanke über spätere Neugründungen von „Taubstummenvereinen“ in Wien, in ganz Österreich und auch von einer Österreichs umfassenden Gesamtorganisation.
Nach Beendigung seiner Schulzeit erlernte er die Lithographie in Ödenburg/Sopron (Ungarn), wo seine Eltern wohnten. 1906 übersiedelte er nach Wien, um die Akademie der bildenden Künste (Malerei) in acht Semestern zu absolvieren, bildete sich nachher in verschiedenen Fächern seines Berufes praktisch weiter, um dann in einem eigenen Atelier zu schaffen.
Im Jahre 1908 kam er mit Karl Altenaichinger in Wien wieder zusammen und liessen die Idee von der großen Gründung wieder neu aufleben.
Beim 3. Internationalen „Taubstummenkongreß“ in Paris vom 29.7. bis 4.8.1912 war eine österreichische Delegation vertreten: Theodor Kratochvil, Fritz Rothberger, Heinrich Procházka – der Kongreß fiel mit dem 200. Geburtstag von Abbé de l’Épée zusammen. Die österreichische Delegation stellte den Antrag, eine Weltorganisation aller Nationalverbände zu gründen. Der taube Präsident des damaligen Kongresses, Ernest Dusuzeau, Ritter der Ehrenlegion, ließ aber den Antrag ablehnen mit der Begründung, dass erst in jedem Staate Europas Nationalverbände existieren müssen. Ein Antrag über den nächsten internationalen Kongreß in Wien 1915 wurde eingebracht, kam aber nicht in Abstimmung.
Procházka betrieb gemeinsam mit tauben Genossen aus Wien, Wiener Neustadt und Salzburg eine glänzende Agitationsarbeit, die im stürmischen Elan alle Hindernisse und Zweifler der Reichsverbandsidee überwand. Beim 10. österreichischen „Taubstummentag“ in Graz vom 15. bis 16. August 1913 wurde die Gründung des „Reichsverbandes“, die alle österreichischen „Taubstummenvereine“ vereinigen soll, verwirklicht. Procházka war von 1913 bis 1915 Sekretär des Reichverbandes.
Procházka berichtete als Präsident des „Hagesö“ (Vorläufer des ÖGSV), dass bei den 3. internationalen „Taubstummenspielen“ in Nürnberg 1931 beschlossen wurde, die nächsten Spiele 1935 in Wien durchzuführen. Der C.I.S.S.-Kongreß in Nürnberg hatte sich zunächst für Wien ausgesprochen, es wurden Vorarbeiten in Österreich getroffen. Leider musste C.I.S.S. wegen der unsicheren politischen Lage in Österreich die Abhaltung der Spiele 1935 an London übertragen.
Vor Beginn des Zweiten Weltkrieges lebte er in Wien und war einer der Mitbegründer des „Wiener Taubstummen-Fürsorgeverbandes“ (WITAF) und des ersten „Taubstummenheimes“ in der Laurenzgasse. Von Stadtrat Prof. Dr. Tandler wurde er in das Kuratorium der „Städtischen Taubstummen-Fürsorgestelle“ beim Wohlfahrtsamt der Stadt Wien berufen. In der Kriegszeit übersiedelte Kamerad Procházka nach Linz.
Der „Verband der Taubstummen und Gehörlosen Österreichs“ hielt 1947 im Linzer Ratsherren-Sitzungssaal seine erste Generalversammlung nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Die Versammlung wählte Procházka zum Präsidenten. 1949 trat Procházka wegen geschwächter Gesundheit zurück.
Jänner 1949 wurde die ersten internationalen Gehörlosen-Winterspiele in Seefeld (Tirol) unter der Patronanz von C.I.S.S. erfolgreich organisiert. Procházka arbeitete als Präsident des österreichischen Gehörlosen-Sportes dafür Tag und Nacht an den Vorbereitungen, gemeinsam mit Zingerle und vielen anderen .
Bei der Generalversammlung 1955 in Wien wurde er erneut zum Präsidenten des „Verband der Taubstummen und Gehörlosen Österreichs“ gewählt. Er war zur gleichen Zeit bis 1960 ebenfalls als Präsident des Österreichischen Gehörlosensportverbandes tätig!
Am 22.10.1955 wurde in Wien eine vom „Verband der Gehörlosen und Taubstummen Österreichs“ (heute ÖGLB) und der „Verband der Gehörlosen-Sportvereine Österreichs“ (heute ÖGSV) gemeinsam organisierte große Feier des 70. Geburtstages des Präsidenten Procházka gefeiert.
Er trug wesentlich zur Gründung des World Federation of the Deaf (WFD) in Rom 1951 bei. Seine Arbeit für die tauben Menschen wurde beim 4. WFD-Weltkongress in Stockholm 1963 mit der Ehrenmitgliedschaft des WFD honoriert.
Er erhielt im Rahmen der Bundestagung im Mai 1964, abgehalten vom „Bund der Landesverbände der Gehörlosenvereine in Österreich“ (heute ÖGLB), das goldene Ehrenzeichen „PRO MERITIS“.
Kurz vor seinem 79. Geburtstag verstarb Procházka Oktober 1964 in Linz.
Im Rahmen des 6. WFD-Weltkongresses 1971 in Paris erhielt Procházka posthum das „International Solidarity Merit 1. Klasse“.