02/11/2023
Nach einer Fraktur eines Knochens wird die Heilungsphase mit dem Arzt besprochen, es gibt einen Krankenstand und nach Nachsorgeuntersuchungen ist man wieder gesund .. 🍀
Wie ist das, wenn kein Arm oder Bein gebrochen ist, sondern der „ganze Mensch“? Da gibts wenig zu besprechen, es wird leider oft die Decke des Schweigens darüber gebreitet und „bisserl rausgehen“ dann ist’s wieder gut. Bei depressiven Verstimmungen mag das klappen, bei diagnostizierten Erkrankungen gehts leider nicht so einfach.
Zuerst die Scham überwinden, dass man nicht mehr funktioniert (wie man, oder andere, es gerne hätten) - dann der Weg zum Hausarzt, der Medikamente verschreibt, hoffentlich an einen Facharzt überweist (wenn’s einen gibt, der Patienten aufnehmen kann) und im besten Fall zu einer Psychotherapie rät. Nach diesen Stationen, den vielen anrufen, vielen anonymen Menschen telefonisch Auskunft zu geben über das „nicht funktionieren“, das Gefühl sich selbst nicht mehr zu kennen und alle anderen da draußen zu enttäuschen gerät man hoffentlich an eine Psychotherapeutin oder einen Psychotherapeut. Davon abgesehen, dass es mit einem Aufwand verbunden ist zu einer Psychotherapie zu kommen, hängt sehr viel vom Therapieerfolg davon ab, ob man mit dem Gegenüber „kann“ ; wenn man jemandem in einem (hoffentlich) sicheren Raum seine Gefühle, Ängste und alles was damit verbunden ist erzählt, ist es wichtig, dass sich alle Personen miteinander wohlfühlen, ein Grundvertrauen da ist.
Nun ist man als Patientin, als Patient angekommen, hat Hürden genommen, nimmt Medikamente ein und hat ein gegenüber gefunden, dem sie/er vertrauen kann. Jetzt kommt noch ein weiterer Faktor dazu, der wichtig ist, über dessen Existenz aufzuklären. Der Verlauf der Heilung ❤️🩹
Nach einigen Sitzungen und Gesprächen verbunden mit Entwicklungen, Reflexionsfähigkeit und der Erfahrung neugesetzter Grenzen kommt zu ersten Besserungen. Man fühlt sich besser, voller Tatendrang und glaubt wieder bei voller Kraft zu sein, alles wieder so machen, erledigen zu können sie „davor“ - dann kommt es zu Rückschlägen, man glaubt noch tiefer zu sinken (obwohl man dachte, dass das nicht möglich sei) beginnt an sich zu zweifeln, Worte wie „ich werde nie wieder gesund“ oder „ich dachte ich bin wieder gesund und kann wieder alles schaffen, aber ich schaffe nichts..“ fallen dann sehr oft in Gesprächen. Daher ist es mir sehr wichtig, Klientinnen und Klienten immer zu erklären, dass der Heilungsprozess nicht verläuft wie ein Knochenbruch der zusammenheilt und man den Prozess, beschreiben und in etwa errechnen kann. Der Prozess ist nicht linear, der Zustand „davor“ war unter Umständen daran beteiligt, dass man in dieses tiefe Loch fiel, und wenn man beginnt wieder daran anzuknüpfen, beginnt man sich wieder zu fordern (tlw zu überfordern) verfällt in alte Muster, der Sympathikus und Parasympathikus beginnen wieder miteinander zu „tanzen“ und wieder kommen Gefühle hoch, die man glaubte überstanden zu haben.
Es gilt achtsam zu sein, zu reflektieren was lässt mich in alte Muster verfallen, welche Muster tun mir gut, welche will ich nicht 🤷♀️ gönne ich mir Pausen? Was tue ich für mich? Wann gestatte (!) ich mir eine Auszeit? Wo kann ich auf mich und mein Verhalten noch Einfluss nehmen, ab welchem Zeitpunkt bin ich nur noch da und erfülle Bedürfnisse anderer?
Wer bin ich..? Was will ich..? Was wünsche ich mir..? Bin ich noch bei mir..?
Diese Fragen gehören zur Heilung dazu, so wie man mit einem Liegegips nicht auf ein Fahrrad gehört, so gehört man mit psychischen Erkrankungen zwar auf ein Rad, aber nicht auf das des Hamsters 🐹
Es gilt nicht nur gut auf sich zu achten, sondern sich auch die Zeit zu geben, die es brauchen wird um sich wieder ganz gesund fühlen zu können.
Eine Sache habe ich gelernt, es wird wieder gut 🪷 , mit Zeit, Abstand, einem sicheren Raum und Vertrauen wird’s wieder heilen.
Leider befinden wir uns in einer Zeit, wo es wichtig ist zu funktionieren, Leistung zu erbringen, Bedürfnisse anderer zu erfüllen - und krank sein, schon fast als Luxus gilt, die Anerkennung einer Krankheit ganz egal ob auf den ersten Blick erkennbar oder nicht ist wichtig auch von außen.
Manches mal hat man keinen Einfluss auf die Situation in der man sich befindet, man muss „da durch“, es gibt Möglichkeiten, Intervention, Übungen die man in Situationen wie diesen durchführen kann in einem sicheren Rahmen.
Mit dieser (wieder mal über-)langen Ausführung ist es mir eigentlich nur wichtig eine Einleitung, oder besser Erklärung zu beigefügtem Foto (Quelle mal wieder Pinterest) zu machen.
Auch so, sieht ein Heilungsprozess aus, oder mit mehr oder weniger Kurven, aufs und abs.
So verschieden wie wir Menschen sind, so verschieden sind die Erfahrungen die wir gemacht haben, die Widerstandskräfte über die wir verfügen und so verschieden sind auch die Dinge die uns stoppen, die uns überfordern. Was dem einen zu viel ist, bei dem Zucken andere nicht mal die Schultern auch darum gehts, wir sind alle unterschiedlich und jeder in seinem Dasein wertvoll.
Es gilt anzuerkennen, dass wir unterschiedlich sind und nicht jeder „etwas aushält“ - Wertschätzung dafür, was jeder einzelne rund um uns und vor allem wir selbst tagtäglich leisten.
Euch allen da draußen noch einen schönen Abend 🌳🪷🍀 🌝 und schöne Herbsttage 🍂☀️