01/11/2025
"Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben."
Abschied und Neubeginn – kaum ein Dichter hat das Thema schöner beschrieben als Hermann Hesse in seinem bekannten Gedicht "Stufen". Das Leben besteht aus permanenter Veränderung, ein Moment wird vom nächsten abgelöst, bei jedem Ausatmen lassen wir los und sind bereit, beim nächsten Einatmen wieder neu zu beginnen. Ganz automatisch, ohne Nachzudenken. Stillstand würde unseren Tod bedeuten. Doch Abschiednehmen von Beziehungen, von unseren Zielen oder Gewohnheiten ist nicht so einfach. In den seltensten Fällen passiert das vollkommen reibungslos, im Gegenteil, je emotional tiefer uns ein Verlust trifft, desto stärker sind wir gefangen in Wut, Schmerz und Verzweiflung und trauern um ihn. Trennungen und Abschiede gleichen einem "psychischen Erdbeben", wie es der amerikanische Evolutionsbiologe Eric Klinger bezeichnet.