13/10/2024
Verlusttrauma
In der Arbeit mit Verlusttrauma gibt es einen wesentlichen Punkt, der beachtet werden muss, um das Trauma besser auflösen zu können:
Hat eine Person einen Verlusttrauma als erwachsener Mensch erlitten, wie zum Beispiel ein Kind verloren, ist das bereits Grund genug, um stark traumatisiert zu sein, und doch einige Zeit an diesem Trauma arbeiten zu müssen, bevor es integrierbar wird.
In meiner Arbeit begegne ich jedoch hauptsächlich Menschen, die ihr erstes Trauma nicht im Erwachsenenalter erlebt haben, auch wenn das häufig (wie eben bei Eltern, die ihr Kind verloren haben) der Anlass ist, zur Therapie zu kommen.
So ist mir bewusst geworden, dass die FRAGE NACH FRÜHEREN VERLUSTEN wesentlich sein kann. Und auf dem Weg dazu ist mir auch bewusst geworden, dass es oft nicht immer um Verluste geht, sondern manchmal um STÄRKENDE UMSTÄNDE, DIE EINE PERSON NIEMALS HATTE.
Wenn eine Frau ein Kind erwartet, machen sich ganz automatisch ganz viele Fantasien in ihr breit, wie schön das Leben mit dem Kind, mit der Familie sein wird. Bilder von Liebe, Freude, Geborgenheit, Sicherheit, Verbundenheit, Fürsorge, Gemeinschaft etc. sind selbstverständlich in unseren Herzen, wenn wir ein erwünschtes Kind erwarten.
Nun kann es aber sein, dass dies genau DINGE SIND, DIE DIESE MUTTER NIE IN IHREM LEBEN HATTE, und deren Erfüllung nun die Geburt eines gesunden Kindes bringen sollte.
Verlieren wir ein Kind frühzeitig in der Schwangerschaft, verlieren wir also nicht nur das Kind, sondern auch all die schönen Vorstellungen, Wünsche, Träume und Fantasien, die damit zusammen hängen.
Potenziert wird das Trauma jedoch noch dadurch, dass es entweder bereits früher einschneidende Verluste - oder noch einschneidender - ein BINDUNGS- UND ENTWICKLUNGSTRAUMA gab.
Ein Bindungs- und Entwicklungstrauma kann entstehen, wenn Menschen in ihrem Aufwachsen keine verlässlichen elterlichen Bezugspersonen hatten, welche ausreichend Sicherheit, Geborgenheit, Liebe und Fürsorge bereitstellen konnten.
Dabei handelt es sich um ein sehr schweres Trauma von dem leider auch zahlreiche Menschen betroffen sind. (Die "gute Nachricht" ist, dass das Trauma verhindert werden kann, wenn zumindest ein Elternteil die Bindung bewerkstelligen konnte.)
Wenn ich als Therapeutin in meiner Arbeit mit Menschen, die als Erwachsene ein Verlusttrauma erlebt haben, nicht auch einen Blick in die Kindheit des/der Klient*in werfe, kann es leicht passieren, dass der/die Klient*in das aktuelle Trauma nicht integrieren kann.
Wir müssen gemeinsam in der Therapie herausfinden, welche alten Wunden am Herzen noch nicht verheilt sind, um uns eingehend um jene zu kümmern.
Die Integration eines Traumas bedeutet, dass wir verstanden haben was passiert ist, und es auf eine Art angenommen/akzeptiert haben, dass es uns nicht jedes Mal aufs Neue in Schock versetzt.
Die Integration eines Traumas erkennen wir ganz eindeutig daran, dass wir uns wieder mit uns selbst und den Menschen rund um uns verbunden fühlen. Wir nehmen wieder teil am Leben und fühlen wieder die Liebe in unserem Herzen, die vorher so weh getan hat. Die Trauer um einen verlorenen Menschen bekommt ihren gesamten ihr zustehenden Raum - ohne dass wir uns auch noch mit den ganzen anderen "alten" Wunden beschäftigen müssen.
Wir fühlen uns wieder "ganz" und können präsent bleiben auch wenn wir über den traumatischen Verlust sprechen.