07/04/2024
Nachruf auf einen ausserordentlichen Gentleman
DORIANO
(2011-2024)
Ich weiss noch gut, wie unser erstes Treffen war: Nach hundert Kurven endlich im Luzerner Napfgebiet angekommen, es stürmte, alles flatterte, dein langes Haar, das Siloplastik der Bauernhöfe ringsherum, eine Herde Rinder kam angerannt – du hattest mich zwar noch nie gesehen, aber hast bei alldem nicht mit der Wimper gezuckt. Ich war so beeindruckt, dass ich wusste: Dieses Pferd ist kein Pferd wie jedes andere, und ich möchte es unbedingt bei mir haben!
Die erste Zeit in unserem Stall war für dich etwas schwierig, die anderen Grosspferde schienen deine Körpersprache nicht auf Anhieb zu verstehen und liessen es dich spüren. Nur die kleinen Nordmänner waren nett zu dir, also gaben wir dir die Shetties als Gesellschaft. Mit der Zeit wurdest du zum ruhenden Pol der Herde, hast die nervöseren Herren mit deiner ruhigen Art ebenfalls zur Entspannung gebracht. Was haben wir alles zusammen erlebt! Du warst buchstäblich für jeden Spass zu haben. Mit dir konnte man Pferde stehlen. Wie oft hast du uns mit deiner tollpatschigen Art oder deiner absoluten Coolness zum Lachen gebracht.
Dir habe ich fremde Kinder und meine eigene Tochter ohne Zögern anvertraut. Ich bin so dankbar, dass du ein Teil unserer Familie warst – und ich hätte mir noch so viele weitere schöne Momente mit dir gewünscht. Die Guten sterben jung, sagt man. Und so war es wohl auch bei dir. Seit der letzten Alpzeit warst du etwas geschwächt und öfter verspannt in der Hinterhand. Wir liessen dich mehrmals durchchecken von Fachleuten, aber es liess sich nichts Besonderes finden. Ich fing an, dir heiss geliebtes Zusatzfutter zu geben, in der Hoffnung, du würdest wieder zu deiner alten Form finden. Aber deine Muskeln kamen nicht zurück.
Ganz unverhofft hat sich dein Zustand am Samstag nach der Hufpflege rapide verschlechtert. Du wirktest wie betrunken und konntest weder fressen, noch trinken. Aber noch immer war der Lebensmut in deinen Augen gut zu sehen. Wir fuhren dich ins Tierspital, erhofften uns Klarheit und Hilfe. Als du nach dem Ausladen bereits auf dem Vorplatz zusammengeklappt bist, wusste ich, das verheisst nichts Gutes. Wir konnten dich noch in einem Netz in eine Notfallbox bringen, es wurde eine Infusion gelegt, Schmerzmittel und Entzündungshemmer gegeben. Falls du bis heute Morgen wieder aufgestanden wärest, hätten wir weitere Abklärungen treffen können. Aber als ich dich heute Vormittag wie ein Häufchen Elend in der Box liegen sah, da war mir klar, wir können dein Leiden nicht zusätzlich verlängern. Jeder Atemzug war eine Anstrengung, du hattest offensichtlich grosse Schmerzen. Die Aussichten auf eine Besserung waren verschwindend klein.
Es hat mir das Herz gebrochen, aber ich wusste, das einzig Richtige ist, dich jetzt gehen zu lassen. Wir wissen nicht, was deinen Körper zum Erliegen gebracht hat. Alle Blutwerte waren normal, die Organe auch. Es gab weder Anzeichen von einem Infekt, noch von einer Entzündung. Am ehesten könnte es wohl eine Vergiftung gewesen sein, oder ein neurologisches Problem im Gehirn. Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Dein grosses, sanftes Herz hat aufgehört zu schlagen. Wir sind sehr traurig und vermissen dich. Ich hoffe, dein Geist galoppiert bereits gemeinsam mit anderen Puschelfüssen über die weiten Weiden deiner irischen Heimat. Rest in Peace, my dear friend. Wir werden dich nie vergessen.