28/11/2024
Liebe Alle
Es ist wieder soweit - die Diskussion darüber, was Psychotherapie kosten darf, ist wieder in vollem Gange... Leider zeigt sich die Diskussion über die steigenden Kosten psychotherapeutischer Behandlungen auch dieses Mal wenig differenziert und vernachlässigt die komplexen Rahmenbedingungen, in denen wir Psychotherapeut:innen tagtäglich arbeiten. Hinter den Zahlen stehen Menschen – und es geht um mehr als nur Budgetfragen.
👉 Chancengleichheit durch die Verlagerung in die OKP:
Ein nicht unwesentlicher Teil der Kostensteigerung ist darauf zurückzuführen, dass Leistungen, die früher über Zusatzversicherungen oder privat finanziert wurden, nun von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abgedeckt sind. Dies ermöglicht vielen Menschen den Zugang zu dringend benötigter Therapie, die sie sich zuvor nicht leisten konnten. Das ist ein wichtiger Schritt zu mehr Chancengleichheit in der Gesundheitsversorgung.
👉 Bürokratische Hürden im Anordnungsmodell:
Das Anordnungsmodell bringt einen hohen administrativen Aufwand mit sich. Statt unsere Zeit in die Arbeit mit Patient:innen zu investieren, sind wir zunehmend mit Dokumentation, Absprachen und Verfassen von Berichten beschäftigt. Diese Bürokratie bindet wertvolle Ressourcen, die direkt in die Versorgung unserer Patient:innen fliessen könnten und generiert zudem unnötige Zusatzkosten.
👉 Hoher Bedarf trifft auf begrenzte Kapazitäten:
Die Nachfrage nach Therapieplätzen übersteigt die Kapazitäten unserer und vieler weiterer Praxen bei Weitem. Wir stehen täglich vor der Herausforderung, zahlreiche Anfragen abzulehnen – ein Dilemma, das psychisch belastet und zeigt, wie groß der Bedarf an psychischer Gesundheitsversorgung ist.
👉 Wirtschaftliche Herausforderungen für Praxen:
Die Führung einer psychotherapeutischen Praxis ist mit hohen laufenden Kosten verbunden, darunter Miete, Fortbildung, Versicherungen und Praxisausstattung. Eine Absenkung des Tarifs würde die wirtschaftliche Tragfähigkeit vieler Praxen gefährden – mit der Folge, dass gerade in ländlichen Regionen die Versorgung weiter eingeschränkt würde.
👉 Psychotherapie als langfristige Investition in die Gesundheit:
Psychotherapie ist keine kurzfristige Ausgabe, sondern eine langfristige Investition in die Gesundheit unserer Gesellschaft. Wer heute eine Depression, Angststörung oder Traumafolgestörung behandelt, verhindert morgen teure Krankenhausaufenthalte, chronische Erkrankungen, Arbeitsausfälle oder Frühverrentungen.
Psychotherapie ist keine Luxusleistung, sondern ein essentieller Bestandteil unserer Gesundheitsversorgung. Es braucht einen differenzierten und wertschätzenden Diskurs, der sowohl die finanzielle Machbarkeit als auch die gesellschaftliche Verantwortung berücksichtigt.
Unser Ziel bleibt: die bestmögliche Versorgung für alle Patient:innen, die psychotherapeutische Hilfe benötigen. 🧡
In diesem Sinne grüssen euch herzlich
Nicole Jäger & Christa Wyss-Boschung
Die Krankenkassen fordern einen tieferen Tarif für psychologische Psychotherapeuten.