20/10/2024
Die Serie „Was ist mit den Männern los?“ möchte ich mit einem zweiten Teil fortsetzen, da mir in den letzten Tagen zwei Facebook-Posts begegnet sind, die mich inspiriert haben. Vielleicht mag der ein oder andere, der mir schon länger folgt, bemerken, dass ich versuche, auf der Meta-Ebene Dinge zu betrachten und Zusammenhänge zu erkennen, die nicht immer offensichtlich sind. Diese zwei Posts scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Dinge zu berühren, aber in meiner Wahrnehmung sind sie Symptome derselben Ursache.
Der erste Post stammt von einem Mann, der oft wunderbare, tief berührende Gedanken zur Männlichkeit, zur Arbeit in Männerkreisen und zur emotionalen Reife von Männern teilt. In diesem Post schreibt er allerdings:
„Manchmal ist die bestimmte und strenge Härte der Männlichkeit das einzige, was der weichen und unbestimmten Weiblichkeit Halt und Führung gibt.“
Als ich diesen Satz las, zog sich bei mir alles zusammen. Dieses Gefühl der strengen Härte – es ist so tief in uns verankert, so präsent in unserer kollektiven Männlichkeitsvorstellung, aber für mich ist es schlicht die Abwesenheit von Liebe. Diese Härte ist kein Ausdruck von Stärke, sondern das genaue Gegenteil: Es ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit, von Kontrollverlust, von innerer Ohnmacht. Ich kenne dieses Gefühl aus eigener Erfahrung. Wenn ihr meine Freunde aus meinen Zwanzigern fragen würdet, sie würden bestätigen, dass ich diese strenge Härte verkörperte. Heute noch gibt es Menschen, die sich vor meinem Urteil fürchten.
Das ist etwas, das ich von meiner Mutter gelernt habe – diese Härte, die nichts mit liebevollem Wohlwollen zu tun hat. Stattdessen steht sie für eine Form von Maskulinität, die uns von der Gesellschaft aufgedrückt wurde, und die nichts mit echter Männlichkeit zu tun hat. Hier geht es nicht um Halt, nicht um Führung, sondern um eine verzweifelte Reaktion auf die eigene Überforderung.
Ich mag diese Metapher: Wenn wir ins Wasser springen und falsch eintauchen, fühlt sich die Wasseroberfläche hart wie Beton an. Aber das liegt nicht am Wasser. Das Wasser ist nicht hart. Es ist unser Eintauchwinkel, der falsch war. Und die wahre Maskulinität, die wahre Führung, besteht darin, den richtigen Winkel zu zeigen. Maskulinität in ihrer Essenz ist eine Struktur, die Klarheit und Wahrhaftigkeit vermittelt. Sie zeigt auf, dass der Winkel falsch war, und gibt uns die Anleitung, wie wir richtig eintauchen können, ohne uns zu verletzen. Das ist der wahre Halt und die wahre Führung, von der wir sprechen sollten. Zumindest ist das meine Haltung.
Der zweite Post, der mich in den letzten Tagen bewegt hat, kam von einer Frau, die im tantrischen Kontext Seminare anbietet. Ihr Post lautete:
„Niemand will mit Männern Übungen machen. Weder Frauen noch Männer".
Dieser Satz hat mich fast noch tiefer getroffen als der erste. „Niemand will mit Männern Übungen machen“ – das ist eine Pauschalverurteilung, die jeglichen Kontext vermissen lässt. Es ist eine Verurteilung durch die Hintertür. Was dieser Satz unbewusst kommuniziert, ist, dass mit Männern etwas nicht stimmt, dass sie nicht gut genug sind, um an solchen Übungen teilzunehmen.
Aber was für Übungen sind das überhaupt? Tantra-Übungen? Algebra-Übungen? Oder geht es um emotionale Reife? Es fehlt jegliche Spezifizierung. Und das ist genau das Problem. Männer hören ständig solche pauschalen Aussagen, und sie schüren die kollektive Scham, die viele von uns mit sich tragen. Solche Aussagen sind keine Einladungen, sich zu öffnen oder sich verletzlich zu zeigen. Sie verstärken das Gefühl, dass wir nicht in Ordnung sind, dass mit uns etwas nicht stimmt.
Es gibt nichts Subtileres als Scham, und gerade in solchen Sätzen liegt sie verborgen. Und hier entsteht eine verpasste Gelegenheit: Anstatt uns Männer einzuladen, uns in einem sicheren Raum zu zeigen, wird uns stattdessen gesagt, dass niemand mit uns arbeiten will. Wo soll da die Einladung sein? Wie soll sich ein Mann in einem solchen Umfeld sicher fühlen, sich verletzlich zu zeigen?
Und genau hier schließt sich der Kreis zu dem ersten Post: Die strenge Härte, die viele von uns in der Männlichkeit gelernt haben, kommt aus genau diesem Gefühl der Scham und Ohnmacht. Wenn wir das Gefühl haben, dass mit uns etwas nicht stimmt, wenn wir glauben, dass wir ohnehin verurteilt werden, dann bleibt uns oft nur die Härte, die wir als Schutzpanzer tragen. Diese Härte ist ein Ausdruck unserer inneren Hilflosigkeit.
Was wir wirklich brauchen, sind sichere Räume. Räume, die uns einladen, verletzlich zu sein, ohne verurteilt zu werden. Wir brauchen Einladungen, die uns zeigen: „Hier bist du sicher. Hier kannst du dich zeigen, so wie du bist.“ Und genau das fehlt in diesen beiden Posts. Es gibt keine Einladung, keine Möglichkeit, sich wirklich zu öffnen und zu zeigen. Und das ist das wahre Problem.
Abschließend möchte ich noch betonen: Nur weil jemand vielleicht mit einer bestimmten Intention schreibt, heißt das nicht, dass diese Intention in den Worten richtig transportiert wird. Wir müssen uns bewusst machen, wie unsere Worte auf andere wirken und welche Auswirkungen sie haben. Worte sind mächtig, und wenn wir sie nicht achtsam verwenden, können sie mehr Schaden anrichten, als uns bewusst ist.
Von Herzen MMicha Madhava
Das ist mehr oder weniger, was ich in dem gleichnamigen Video sage. Einige tun sich mit dem lesen leichter.