30/03/2017
Das Leben als Wartesaal: Prokrastination, das ewige Aufschieben
So, jetzt sollte ich gleich mal anfangen, etwas über Prokrastination oder „Aufschieberitis“, wie ich es nenne, zu schreiben. Aber, Moment, sollte ich nicht zuerst dringend zum Briefkasten runter und die Zeitung raufholen? Nein, das kann warten. Ok, ich lege jetzt mit dem Schreiben los. Zwar…, jetzt fällt mir gerade ein, dass ich die Terminanfrage einer Klientin noch beantworten sollte. Na, wenn das nicht wichtiger ist, als Gedanken zu Prokrastination niederzuschreiben! Überhaupt habe ich jetzt Hunger und sollte dringend etwas essen. Kein Wunder bin ich nicht fokussiert mit so wenig Benzin im Tank.
Dieser Abschnitt besteht aus 92 Wörtern – vier davon sind „sollte“. Wie lebt es sich, wenn ständig eine Stimme im Kopf sagt: „Du solltest noch das und das erledigen.“ „Du solltest noch xy anrufen.“ „Du solltest schon lange mal xy abklären.“ Immer diese Last, noch Pendenzen offen zu haben aber keine Motivation aufbringen zu können, diese anzugehen. Ein gutes Lebensgefühl löst das bestimmt nicht aus. Nein, es führt unweigerlich zu Frustration, Unzufriedenheit und möglicherweise auch Wut auf sich selbst.
Oftmals zieht sich diese Aufschiebe-Taktik wie ein roter Faden durch viele Lebensbereiche hindurch oder kann sogar die ganze Lebenshaltung widerspiegeln. Prokrastination löst das unangenehme Gefühl aus, sich nicht wirklich auf das Leben einzulassen, also das Leben nicht wirklich zu leben. Das Leben als Wartesaal. Man wartet so lange, bis der Zug abgefahren ist und tröstet sich mit dem vermeintlichen Gefühl, nun von etwas dispensiert worden zu sein. In Wirklichkeit ist es aber keine Dispensation sondern eine verpasste Chance.
Welche Emotionen und Gründe sich hinter diesem Verhalten verbergen, ist individuell. In einer kinesiologischen Sitzung kann man diesen Gefühlen auf den Grund gehen und lernen, dieses Verhaltensmuster zu verändern. Schritt für Schritt wächst die Bereitschaft, sich wirklich auf das Leben einzulassen. Den trostlosen Wartesaal zu verlassen und selbst im Führerstand der Lokomotive Platz zu nehmen, den tonnenschweren Zug zum Rollen zu bringen und die Richtung und das Tempo selber vorzugeben, ist ein gutes Gefühl – das Gefühl der Selbstbestimmung. Und das ist wahre Freiheit!