09/02/2017
Künstlichen Darmausgang verhindern
Wie der Schliessmuskel bei einem Rektumkarzinom erhalten werden kann
Zürich 13.02.2017 - Die Diagnose Krebs zu bekommen, ist schon erschreckend genug. Bei einem Tumor im Enddarm kommt die Angst hinzu, fortan mit einem künstlichen Darmausgang leben zu müssen. Dank grosser Erfahrung in der Bauchirurgie und interdisziplinären Zusammenarbeit, gelingt es Baermed immer wieder, dieses Szenario zu verhindern.
Patrick G. erschrak, als er plötzlich stark aus dem Enddarm blutete. Sofort befürchtete er das Schlimmste. Der erst 30-Jährige wurde notfallmässig hospitalisiert und untersucht. Leider brachte die Darmspiegelung keine Entwarnung: Nebst über 100 Polypen in der ganzen Dickdarmschleimhaut fand man einen grossen Tumor, der nur 3 Zentimeter vom äusseren Schliessmuskel entfernt lag. Biopsien bestätigten den Verdacht auf ein Rektumkarzinom im fortgeschrittenen Stadium - hervorgerufen durch die familiäre adenomatöse Polypose (FAP), an der der Patient litt.
Die FAP ist eine vererbte Krankheit, bei der im ganzen Verdauungstrakt vom Magen über den Zwölffingerdarm und den Dickdarm bis hin zum Enddarm Polypen wachsen können. Diese Wucherungen der Darmschleimhaut können beim Wachstum entarten und sich zu einem Karzinom entwickeln. Genau das ist bei Patrick G. passiert. Hätte man bereits die ersten Polypen entdeckt, hätte sie der Gastroenterologe gleich bei der Spiegelung abgetragen können. Im Fall von Patrick G., in dessen Darm bereits ganze Polypenrasen wuchsen, blieb bloss noch, den befallenen Darmanteil zu entfernen.
Behandlung gründlich planen
Da jedoch auch der Tumor im Enddarm entfernt werden sollte, war die Gefahr gross, dass der Schliessmuskel in Mitleidenschaft gezogen oder sogar komplett mitentfernt werden müsste. Um einen künstlichen Darmausgang zu verhindern, mussten sämtliche Behandlungsoptionen sorgfältig abgewogen und die Operation genau geplant werden.
Bei Baermed, dem Zürcher Zentrum für Bauchchirurgie, lösen die Chirurgen solche Herausforderungen zusammen mit Spezialisten anderer Disziplinen in sogenannten Tumorboards: Der Gastroenterologe führt einen Ultraschall aus, der Radiologe untersucht den Schliessmuskel und die Tumorausdehnung per MRI, der Onkologe plant die Chemotherapie, und der Radioonkologe ist für die Bestrahlung zuständig. Der intensive Austausch der Experten gewährleistet die bestmögliche Behandlung und in den meisten Fällen sehr gute Resultate.
Auch Patrick G. hatte Glück im Unglück. Noch am Tag seiner Hospitalisierung konnte
die Blutung, die aus dem Tumor stammte, gestillt werden. Die Spezialisten entschieden, den Tumor vor der Operation mit Bestrahlung und Chemotherapie zu verkleinern. Nach dieser Behandlung wurde das Stadium mit einer Endosonographie neu bestimmt: von einem Stadium UT3 (in alle Schichten der Darmwand eingewachsen) war er zu einem Stadium UT1 (Ausdehnung auf die Darmschleimhaut beschränkt) zusammengeschrumpft. Lymphknoten waren nicht befallen und der Tumor hatte keine Ableger gebildet.
Minimalinvasive Operationen möglich
Durch eine offene Operation konnten schliesslich der Dick- und der Enddarm bis zum Schliessmuskel entfernt werden. Durch die Verkleinerung des Tumors war es nun möglich, die letzte Dünndarmschlinge als Reservoire anzulegen und direkt an die Schliessmuskulatur anzunähen. Diese sogenannte J-Pouch-Konstruktion übernimmt bis zu einem gewissen Grad die Funktion des Enddarms. Im Idealfall müssen Patienten danach etwa viermal am Tag und zweimal in der Nacht Stuhlgang entleeren. Damit die tiefe Naht geschützt ausheilen kann, ist jedoch vorübergehend ein künstlicher Ausgang nötig, der nach ca. zwölf Wochen rückverlegt werden kann.
Patrick G. hat sich inzwischen von der Operation erholt, und der künstliche Ausgang konnte erfolgreich zurückverlegt werden. Der Patient muss periodisch mit Spiegelung des Magens und Zwölffingerdarm weiter kontrolliert werden, um verdächtige Polypen rechtzeitig zu entfernen. Da es sich bei der FAP um eine Erbkrankheit handelt, sollten Kinder von Personen, die bereits daran erkrankt sind, genetisch abgeklärt werden.
Die Erfolge der modernen Chirurgie gestatten es heute in vielen Fällen auch, selbst solche grossen und ausgedehnten Operationen minimalinvasiv durchzuführen. Die Vorteile für den Patienten sind eine raschere Erholungszeit und später kleinere Narben. Auch für diese Operationen braucht es hochspezialisierte und erfahrene Chirurgen, die über spezielle technische Fertigkeiten und Methoden verfügen, um dem Enddarm sicher zu operieren.
Baermed. Zentrum für Bauchchirurgie
Prof. Dr. med. Hans U. Baer
Facharzt FMH für Chirurgie, spez. Viszeralchirurgie