
06/11/2023
Wie wahr🙏🙏
Das Pferd macht sich eng: Leichtes Genick und fehlende Kraft
Dass Rollkur und das absichtlich enge einstellen von Pferden schädlich ist, ist glücklicherweise längst in aller Munde. Doch was ist mit den Pferden, die sich selbst, also quasi freiwillig, zu eng machen und/oder jedem noch so gut gemeinten und fein angebotenen Zügelkontakt nach rückwärts ausweichen? Die mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten laufen, ohne dass der Reiter sie aktiv in diese Position zieht? Was ist mit den Pferden, die sich eng machen, ohne dass der Reiter das MÖCHTE?
❓Sind die alle von Grund auf falsch ausgebildet und müssen erst monatelang umtrainiert werden? Macht der Reiter vielleicht doch Fehler, wenn auch unsichtbare oder ist einfach nicht in der Lage, sein Pferd korrekt zu gymnstizieren? Haben diese Pferde ein angezüchtet leichtes Genick und können einfach nur so laufen? Oder fehlt ihnen zum aktuellen Zeitpunkt noch die Kraft, um sich korrekt zu tragen?
❌Nein. All diese viel zu gebräuchlichen Erklärungen sind zwar oft gut gemeinte, aber dennoch FALSCHE Begründungen für Pferde, die sich eng machen.
💡Wenn ein Pferd ohne grobe rückwärtsziehende reiterliche Einwirkung, also quasi freiwillig selbst gewählt für länger als zehn Sekunden am Stück mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten läuft, ist das ein wissenschaftlich hieb und stichfester Hinweis auf ein Schmerzproblem (nachzulesen bei Sue Dyson).
💡Die gesunde, natürliche Kopf-Hals-Haltung mit der Stirn-Nasenlinie vor der Senkrechten hat mit Kraft oder Ausbildung, Alter oder Rasse nichts zu tun, sondern liegt in der Natur jedes gesunden Pferdes!
💡Engmachen oder Einrollen (länger als zehn Sekunden am Stück) bedeutet immer, dass es einen aktuellen Reiterfehler in diesem Moment (!) gibt, oder dass es ein aktuelles Schmerzproblem in diesem Moment gibt.
🐴Vorbesitzer/falsche Ausbildung:
Wenn ein (gesundes!) Pferd beim Vorbesitzer eng geritten wurde und man die Zügel verlängert und ein bisschen treibt, geht es mit der Nase vor die Senkrechte. Bleibt das Pferd Pferd gerollt, obwohl die Zügel längst durchhängen und der jetzige Reiter wirklich nicht zieht oder riegelt, hat es ein Schmerzproblem.
Selbst wenn Pferde im klassischen Sinne „falsch geritten“ wurden, nehmen (gesunde!) Pferde binnen kürzester Zeit dankbar eine physiologische Kopf-Hals-Haltung ein: Die Verlängerung der Stirn-Nasenlinie zeigt immer dort hin, wohin das Vorderbein tritt. Das bedeutet: Zu großen, raumgreifenden Trabtritten gehört natürlicherweise ein langer Hals mit einem offenen Genickwinkel. Zu kurzen, sehr kadenzierten Trabtritten (etwa im versammelten Trab oder der Piaffe) gehört ein vermehrt aufgerichteter Hals mit der Stirn-Nasen-Linie an der Senkrechte. Das heißt für die Praxis: Verlängerst du die Zügel und die Trabtritte, geht die Nase eines (gesunden!) Pferdes automatisch nach vorne. Wenn ein Pferd die physiologische Kopf-Hals-Position nicht freiwillig einnimmt, ist das ein deutlicher Hinweis auf ein gesundheitliches Problem. Bleibt es also auch im verstärkten Tempo eng im Hals und geht hinter der Senkrechten (auch wenn der Reiter mit der Hand genügend nach vorne fühlt und das Pferd eben nicht absichtlich fälschlich eng oben hinstellt!), hat es ein Schmerzproblem. Das erkennst du manchmal auch am umgekehrten Fall: Wenn du die Zügel aus der Hand kauen lässt, dein Pferd den Hals zwar fallen lässt, sich dann aber in der Tiefe eng macht (ohne dass du es mit unruhiger Hand gezielt rückwärts zupfst) oder zeitgleich nicht mehr flüssig vorwärts geht, ist das ebenfalls nicht physiologisch.
🐴Trainingspause/Kraftproblem
Wenn ein wenig trainiertes Pferd nach einer Verletzung nicht gut an die Hand heran tritt, wenig „vorwärts zieht“, dann liegt das NICHT an der Trainingspause. Sondern an dem GRUND für die Pause: Auch dieses unerwünschte Zu-eng-gehen bedeutet, dass dieses Pferd (noch immer!) ein Schmerzproblem hat, die Verletzung also möglicherweise nicht ausgeheilt ist oder die wahre Problemursache noch nicht gefunden wurde.
🐴Jungpferd
Wenn man ein (gesundes!) junges Pferd korrekt anreitet, geht es dabei mit der Stirn-Nasenlinie selbstverständlich freiwillig weit vor der Senkrechten. Denn es ist ja eben noch nicht versammelt, geht deswegen noch nicht von Anfang an beigezäumt „durchs Genick“, sondern in freier Kopf-Hals-Haltung ganz zwanglos: Mit einem eher geraden Hals und einem sehr offenen Genickwinkel. Die Rundung des Halses und die Beizäumung wird im Laufe der Ausbildung erarbeitet – nicht umgekehrt!
🐴Leichtes Genick/Zuchtproblem
Jetzt wird es spannend: Ja, es gibt viele Pferde mit angeborenen Hals-Problemen (die wenigsten davon allerdings im Genick) und diese gesundheitlich brisanten Themen zeigen sich tatsächlich oft dadurch, dass diese Pferde dauerhaft und freiwillig zu eng gehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass das dann für diese Pferde „normal“, oder in Ordnung wäre! Auch und gerade davon betroffene Pferde sollten NICHT auf diese Weise geritten werden.
‼️JEDES vom Pferd ausgehende Engmachen ist ein eindeutiges Zeichen für ein gesundheitliches Problem des Pferdes. Geht ein Pferd länger als zehn Sekunden freiwillig hinter der Senkrechten, sendet es dir einen Hilferuf.
Höre hin!
Mehr Informationen findest du hier: https://osteodressage.college/s/OsteoDressage/KnackpunktPferdehals