16/05/2020
Der Bundesbevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Herr Westerfellhaus den ich sehr schätze, hat am 11.05.2020 ein Positionspapier „Mehr PflegeKRAFT 2.0“ - Pflege ist mehr als systemrelevant. In seiner arrangierten Art hat er hier richtigerweise Ziele definiert die wichtig sind in der Betrachtung der Pflege. Jedoch möchte ich mitteilen, dass ein wesentlicher Faktor auch hier wieder nicht erscheint. Daher möchte ich mir erlauben, eine Ergänzung zu diesem Positionspapier darzustellen.
X. Case Management als rechtlicher Leistungsanspruch in der Pflegeversicherung
Um die großen gesellschaftlichen Herausforderung zu erfüllen, ist es von großer Bedeutung flächendeckend ein Case Management Pflege in Deutschland zu integrieren. Die Sozialisation der Gesellschaft verändert sich rasant und führt gerade in den Familien von Pflegebedürftigen zu großen Herausforderungen. Um Versorgungssicherheit des Patienten und auch Arbeitsfähigkeit von pflegenden Angehörigen zu ermöglichen und zu sichern ist die Implementierung von Case Management Pflege in die Regelversorgung, mit einer ausreichenden Finanzierung für Pflegefachkräfte mit einer wissenschaftlichen Qualifikation, ein wesentlicher Lösungsansatz und schnellstens umzusetzen.
(Matthias Mört; www.fachplanung-pflege.de)
Positionspapier von Herrn Westerfellhaus vom 11.05.2011
„Mehr PflegeKRAFT 2.0“ - Pflege ist mehr als systemrelevant
1. Flächendeckend faire Löhne in der Langzeitpflege
Anstelle einer Diskussion über Mindestlöhne brauchen wir eine flächendeckend attraktive Entlohnung mindestens auf Tarifniveau – in allen Regionen, allen Einsatzbereichen. Die Sozialpartner müssen sich endlich auf einen Tarifvertrag einigen, welcher auf die gesamte Langzeitpflegebranche erstreckt werden kann. In diesem Tarifvertrag sollten neben attraktiven Löhnen insbesondere zeitgemäße Arbeitszeitmodelle vorgesehen werden. Daneben muss endlich die Refinanzierung von Tariflöhnen Realität werden, wenn nötig per Gesetz, so dass ambulante Pflegedienste gegenüber Kostenträgern nicht mehr als Bittsteller auftreten und monatelang verhandeln müssen.
2. Ausreichend Kollegen - eine Voraussetzung für familienfreundliche Arbeitszeit
Wer kennt ihn nicht? Den Anruf: »Kannst Du nicht morgen zum Frühdienst kommen? XY hat sich krankgemeldet.« Wenn die Praxis so aussieht, haben Pflegende und Betreuende keine geregelte Freizeit. Auch Pflegekräfte brauchen individuell passende Arbeitszeitmodelle und verlässlich ausreichende Erholungsphasen. Daher muss alles getan werden, damit mehr Kolleginnen und Kollegen vorhanden sind – mehr Ausbildung, gute Arbeitsbedingungen mit verlässlichen Dienstplänen und gesundheitsfördernden Maßnahmen, Rückgewinnung und Integration von Pflegekräften aus anderen Berufen und auch dem Ausland. Besonders mitarbeiterfreundliche Arbeitgeber sollten zudem eine bessere Refinanzierung erhalten, wenn sie gute Arbeitsbedingungen umsetzen und innovative Arbeitszeitmodelle ermöglichen. Bestehende Fördertöpfe müssen konsequent beworben und genutzt werden, u.a. zum Aufbau von Betriebskindergärten und ggf. auch im Verbund mit anderen Pflegeeinrichtungen. Voraussetzung für stabile Dienstpläne ist aber auch eine bedarfsgerechte Personalbemessung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Das für die Langzeit-pflege durch Prof. Rothgang vorgelegte Modell muss zügig pilotiert und umgesetzt werden. Für die Krankenhäuser sollte zeitnah eine einheitliche Personalbemessung auf der Grundlage des Vorschlags von ver.di, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Deutschem Pflegerat entwickelt und eingeführt werden, um die Personaluntergrenzen abzulösen.
3. Mit Digitalisierung mehr Zeit für Pflege statt für Bürokratie
»Die im deutschen Gesundheitssystem ausgeprägte strukturelle Abschottung zwischen Kliniken und Praxen, der 'Faxstandard' in der zwischenärztlichen Kommunikation und die noch überall verbreitete papiergebundene Karteikarte weisen darauf hin, dass die aktuelle Krise, etwa bei der unkoordinierten Versorgung von Pflegeheimen, auch eine Koordinationskrise in einem verzettelten System ist«, kritisiert aktuell der Sachverständigenrat zur Begutachtung im Gesundheitswesen.
Und das stört auch die Pflegekräfte. Sie wollen ihre Arbeitszeit nicht mit Formularen verbringen, sondern mit Pflege. Im Zeitalter von Onlinebanking müssen wir ambulante Pflegedienste endlich von Papierabrechnungen und -genehmigungsverfahren befreien. Dazu brauchen wir eine einheitliche elektronische Abrechnung für Pflegedienste mit allen Kassen, einschließlich einer sicheren elektronischen Gegenzeichnung durch den Pflegebedürftigen. Sie ist die Voraussetzung, um auch Seite 3 von 3
für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen Transparenz über die Höhe der in Anspruch genommenen Leistungen herzustellen. Die Gesellschaft für Telematik sollte außerdem zügig eine digitale Anwendung für die Verordnung und Genehmigung häuslicher Krankenpflege entwickeln. Digitale Arbeit mit Tablets und Apps muss auch in der Pflege Standard werden.
4. Mehr Verantwortung durch Heilkundeübertragung
Fachkräfte können weit mehr als ärztliche Anordnungen ausführen. Die Corona-Gesetze zeigen, was sinnvoll und möglich ist. Aber auch nach Krisenzeiten müssen Pflegefachkräfte mehr Verantwortung behalten. Denn sie haben die Qualifikation dazu und müssen diese auch anwenden dürfen. Im Sinne einer modernen Aufgabenverteilung zwischen allen an der Versorgung beteiligten Gesundheitsberufen müssen gezielt und dauerhaft heilkundliche Aufgaben auf Pflegefachkräfte übertragen werden, beispielsweise bei der Versorgung chronischer Wunden, Diabetes oder Infusionstherapien. Gleichzeitig müssen Fachkräfte stärker von einfachen pflegerischen Verrichtungen und pflegefernen Hilfstätigkeiten entlastet werden. Hier bedarf es eines guten Qualifikationsmixes. Der Strategieprozess zur interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und Pflegebereich des Bundesministeriums für Gesundheit muss mit allen Partnern dazu zügig Ergebnisse liefern.
5. Eine Selbstverwaltung für die Pflege
Die Corona-Pandemie zeigt, wie dringend wir Pflegekammern benötigen. Nur eine berufliche Selbstverwaltung kann Auskunft darüber geben, wie viele Pflegekräfte mit welcher Qualifikation im jeweiligen Bundesland vorhanden sind und eingesetzt werden können. Dies ist eine genuine Aufgabe von Pflegekammern.
Aber nicht nur im Ausnahmefall benötigt die Pflege eine Standesvertretung. Pflegekammern in allen Bundesländern sind die richtigen Ansprechpartner für Fortbildung, Standesrecht und fachliche Standards. Die Bundespflegekammer muss dann im Gemeinsamen Bundesausschuss, der Gematik und anderen Selbstverwaltungsgremien sitzen und die Politik in allen pflegeberuflichen Fragen beraten.