09/04/2024
Teil 4
Gertrud Farnbacher
Gertrud Farnbacher wurde am 13.12.1919 in Augsburg als Tochter von Fritz und Fried Farnbacher geboren.
Gertrud besuchte die Maria-Theresia-Schule von 1930 bis 1936 in den Klassen 1–3 und G4–G6. 1935 feierte Gertrud zusammen mit einigen anderen jüdischen Mädchen ihre »Konfirmation« in Augsburg (Batmizwah: Fest der religiösen Mündigkeit für jüdische Mädchen, kann individuell am Sabbat nach dem 12. Geburtstag des Mädchens begangen werden, wurde in Augsburg aber, ähnlich wie die protestantische Konfirmation, jährlich oder in noch größeren Abständen für mehrere Jahrgänge gemeinsam abgehalten).
Ihre schulische Ausbildung an der Maria-Theresia-Schule schloss 1936 mit 16 Jahren an. Um ihre Englischkenntnisse zu verbessern, ging sie anschließend in ein Scbweizer Pensionat. Danach besuchte sie Lausanne, um dort ihre Kenntnisse der französischen Sprache zu verbessern. Nachdem sie ihre sprachlichen Weiterbildungen abgeschlossen hatte, besuchte sie 1938 eine Handelsschule in Berlin. Nach dem Novemberpogrom in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zog Gertrud wieder nach Augsburg zurück, um ihre Familie zu unterstützen.
Im März 1939 gelang Gertrud durch eine Freundin, die sie während ihres Aufenthaltes 1936 in der Schweiz kennengelernt hatte, die Flucht nach England, wo sie ihren Vornamen in Karen änderte. Sie wurde von den Eltern der Freundin als Haushaltshilfe eingestellt, verdiente jedoch nur sehr wenig Geld. Sie setzte sich vehement für ihre Brüder ein, damit sie ein Platz in einem sog. Kindertransport nach England bekamen: "Ich nahm mir einen Tag frei und ging ins Bloomsbury House. Zuerst sagten sie, dass sie für meine Brüder nichts tun könnten, es seien keine Plätze mehr frei in den Kindertransporten. Nachdem ich in Tränen ausgebrochen war, änderten sie ihre Haltung und sagten zu, die Zwillinge in einem der Transporte unterzubringen. Sie kamen kurz vor Kriegsbeginn an".
Ernst und Rudolf waren zum Zeitpunkt des Transportes gerade 14 Jahre alt. Ihre Schwester beschrieb die beiden als "komplett verschieden". Ernst war eher technisch-begabt und naturwissenschaftlich-denkend, Rudolf hingegen eher schüchtern und nachdenklich. Jedoch nahm sich Ernst 1942 mit 18 Jahren, Rudi 1947 mit 23 Jahren das Leben.
Gertrud studierte an der London School of Economics, ging 1951 in die USA und heiratete 1955, seitdem heißt sie Karen G. Hillman. Sie erwarb den Magistertitel in Soziologie, musste aber 1961 aufgrund eines Unfalls ihre wissenschaftliche Karriere beenden. Jedoch veröffentlichte sie einige Fachaufsätze.
Karen G. Hillman, geb. Gertrud Farnbacher, ist am 27.7.2018 im Alter von 98 Jahren verstorben.
Folgender Nachruf findet sich im Netz:
„Ms. Karen G. (Farnbacher) Hillman, born on December 13, 1919 in Augsburg, Germany, to the late Frieda Farnbacher and the late Fritz Farnbacher, passed away at age 98 on July 27, 2018 in Chicago, Illinois.
Karen graduated from London School of Economics and received a graduate degree in Sociology from Northwestern University. She met her beloved husband, the late Jordan Jay Hillman, after she immigrated to Chicago. Karen was a dedicated participant in many social causes. She was an active contributor to the international student program at Northwestern and both attended and taught courses at the Osher Lifelong Learning Institute. She volunteered her time to the League of Women Voters and served on numerous boards involved with mental health and social services. Karen applied her sociology training to conduct research aimed toward developing fair housing programs.
As a child Karen experienced anti-Semitism in many forms. After Kristallnacht she fled to London and empowered herself by working hard despite the unbearable trauma of losing her family in the Holocaust. Her work ethic, aimed at increasing social consciousness, was one of the defining characteristics of her life. Her curious mind never stopped searching out new ways to learn and new topics to explore. Along the way she nurtured connections to her extended family and developed many meaningful friendships. She also loved cats, cooking, reading, gardening, and travel. A private memorial gathering is planned."
Das Foto zeigt Gertrud Farnbacher als 9. von links vor der Skihütte Alpe Rauhenberg bei Gunzesried (undatiert).