29/07/2025
. . .so eine schöne Geschichte . . . und ja, wir sind alle "richtig" wie wir sind
Heute habe ich mal wieder eine kleine Mutmachgeschichte für Euch. Ich wünsche Euch eine schöne Lesezeit.
Text & Illustration: Antjeca
Der kleine Hase mit dem schiefen Ohr
In einem weichen Nest unter einem dichten Busch lebte ein kleiner Hase mit seiner Familie. Er liebte es, über die Wiese zu hoppeln, in Pfützen zu springen und Gänseblümchen zu pflücken.
Wie alle Hasen hatte er zwei Ohren. Aber bei ihm waren sie nicht gleich: Das eine war groß und stand kerzengerade nach oben. Das andere war ein ganzes Stückchen kleiner und kippte schräg zur Seite. Es machte, was es wollte – besonders wenn Wind wehte. Dann flatterte es wie eine kleine Fahne im Wind.
Die Hasenmama streichelte oft liebevoll über beide Ohren und sagte: „Die passen gut zu dir.“
Aber beim Spielen auf der großen Lichtung war es manchmal anders. Zwei Hasenjungen, die oft zusammen waren, kicherten jedes Mal, wenn sie ihn sahen.
„Guck mal! Da kommt das komische Knickohr!“ rief der eine laut und lachte unangenehm. Der andere lachte mit – ein wenig zu laut, fast so, als müsste er.
Auch die anderen Hasenkinder blickten auf und grinsten.
Dem kleinen Hasen wurde heiß. Er zog das Kinn ein und versuchte, das schiefe Ohr mit der Pfote zu verstecken. Doch es wollte nicht gerade stehen. Nicht mal für eine Sekunde. Schnell sprang er davon und lief hinunter zum Fluss – zu seiner geheimen Stelle.
Dort saß er lange am Wasser und starrte traurig auf sein Spiegelbild.
Dieses blöde Ohr!
Warum nur hatte ausgerechnet er kein normales Ohr wie die anderen? Warum musste ausgerechnet sein Ohr so aussehen? Er wollte doch nur dazugehören.
Die Sonne war schon halb verschwunden, und das Gras roch nach Abendtau, als er sich widerwillig auf den Heimweg machte. Am liebsten wäre er für immer in seinem Versteck geblieben. Er hoffte, dass ihm niemand mehr begegnete.
Da kam ein Igel vorbeigetrippelt. Auch er war auf dem Heimweg. Er rümpfte sein Näschen und schaute den kleinen Hasen eindringlich an.
„Was ist los? Du siehst so traurig aus, als hättest du deine liebsten Karotten verloren.“
Der Hase zeigte ganz leise auf sein Ohr.
„Die lachen immer über mein schiefes Ohr“, flüsterte er. „Ich wär lieber wie die anderen. Ganz normal.“
Der Igel setzte sich neben ihn.
„Schau mich an“, sagte er. „Ich bin rund, stachlig und hab kurze Beine. Ich kann nicht hüpfen. Nie. Glaubst du, ich wär gern ein Reh? Manchmal, ja. Aber das bin ich nicht. Ich bin ein Igel.“
Der kleine Hase schwieg. Der Igel sprach ruhig weiter:
„Ob du ein schiefes Ohr hast oder schiefe Zähne, ob du groß bist oder klein, dick oder dünn – das ist erst einmal einfach nur eine Tatsache. Und die ist weder gut noch schlecht. Es ist, wie es ist.“
Der Hase schaute erstaunt.
„Gut oder schlecht“, sagte der Igel, „wird es erst, wenn jemand meint, darüber urteilen zu müssen. Manche zeigen mit dem Finger auf andere, nur weil sie etwas nicht gewohnt sind. Vielleicht haben sie selbst Angst, anders zu sein. Oder sie haben es irgendwann mal so gelernt und sich nie gefragt, ob das überhaupt so richtig ist.“
„Also ist mein Ohr gar nicht schlimm?“ fragte der Hase vorsichtig.
Der Igel lächelte.
„Nein. Schlimm ist nicht dein Ohr. Schlimm ist jemand, der andere schlecht behandelt. Du musst dein Ohr nicht lieben. Aber du musst dich auch nicht dafür verstecken. Es gehört zu dir. Und das reicht.“
Der Wind wehte sacht durchs Gras. Das kleine Ohr wackelte kurz – ganz so, als hätte es verstanden.
„Und weißt du was?“ sagte der Igel. „Wer über andere lacht, nur weil sie nicht in sein kleines Bild von ‚normal‘ passen, zeigt nur, wie eng sein Denken ist. Je kleiner das Denken, desto mehr wird gemeckert.“
Der Hase musste grinsen.
„Dann hab ich wohl ein Ohr für große Gedanken!“
Der Igel lachte leise.
„Genau. Und das kann kein anderer so tragen wie du.“
Und ab da wusste der kleine Hase:
Sein Ohr war nicht das Problem. Und er war auch kein Problem.
Und wer daraus eines machte – der hatte etwas Wichtiges nicht verstanden.
❤️❤️❤️
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