04/11/2022
Darf/sollte ein 4jähriger mit auf die Beerdigung seiner Mama? Aus meiner Sicht und nach meiner Ausbildung eindeutig JA ❤️
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Ich bekomme einen Anruf, : „Michaela, die Mutter von Ben ist gestern verstorben. Ihr Sohn ist erst 4 Jahre alt und viel zu jung für eine Beerdigung. Sehen Sie das nicht genauso, Frau Hanske?"
Meine Gedanken kreisen umher, dieser Satz beschäftigt mich und ich bin dankbar und froh darüber, 3 Tage später am Tisch der Familie sitzen zu dürfen. Wir sprechen über Michaela und darüber, wie sie sich ihre Beerdigung gewünscht hat, als sie noch lebte. Ihre Tante äußert:„Lieder hat sie sich gewünscht, zwei Gebete und auch, dass es jedem ermöglicht wird, dabei sein zu dürfen. Alle dürfen kommen, die sie gern gehabt haben!"
Ich frage vorsichtig und mit dem Wissen vom Telefonat nach: „Darf Ben auch zu der Beerdigung seiner Mutter kommen?"
Stille tritt ein, alle denken nach. Die Familie kommt in den Austausch, Vater und Onkel sind dafür, Tante und Oma strikt dagegen. Und Ben? Der spielt mit seinen 4 Jahren gerade im Wohnzimmer, holt sich zwischendurch Kekse ab und trinkt seinen warmen Kakao.
„Welche Ängste und Sorgen treten bei euch auf, wenn ihr an Ben und die Beerdigung denkt?", frage ich in die Runde. Die Tante und die Oma äußern diese Gedanken..
"Er ist zu klein für eine Beerdigung!"
"So etwas trauriges muss und darf er doch nicht sehen."
"Wir weinen doch alle!"
"Das hätte Michaela ganz bestimmt nicht gewollt! Eine Beerdigung ist was Schlimmes, was Trauriges, nichts, wo Ben als kleines Kind hingehört!"
Alle denken nach, diskutieren und halten zwischendurch inne. Die Männer am Tisch schweigen und erläutern nichts dazu.
Schauen auf den Tisch, zu Ben und dann wieder zu den Frauen.
Ich bemerke es, frage vorsichtig nach, warum die beiden so schweigsam sind.
„Wisst ihr", sagt der Vater. „Ben ist klein. Ja, das stimmt. Und dennoch merkt Ben, dass etwas nicht stimmt. Er stellt Fragen über Michaela, malt Bilder, sieht mich weinen und wischt meine Tränen ab. Ich weiss das ihr es nicht gut findet, wenn er mit zur Beerdigung käme, aber trotzdem finde ich es komisch, wenn er nicht mit dabei sein kann. Michaela ist doch seine Mama! Und ich als Papa bin dich auch dafür verantwortlich, ihn an seiner Seite zu begleiten, wenn seine Mama verabschiedet wird.“
Er sieht mich unsicher an, ich nicke ihm zu und ergänze: „Ja, Kinder spüren wenn das Umfeld traurig ist, sie spüren die Traurigkeit um sich herum und wenn man sie im Ungewissen lässt, sie nicht aufklärt, dann sind sie irritiert in ihrer eigenen Selbstwahrnehmung. Jeder darf sagen und zeigen, wenn man traurig ist, auch bei der Beerdigungen von Michaela.
Je kleiner die Kinder sind, desto wichtiger ist es, ihnen den Tod begreifbar zu machen. Dinge mit den Händen zu be-greifen (beispielsweise, wenn man die Urne selbst trägt, das Grab selbst 'zubuddelt') etwas zu sehen (das Grab, die Blumen) und auch zu hören (Lieder, Gebete). Wir Erwachsene können mit Worten nicht immer alles erklären, dafür brauchen und benötigen wir unsere Sinnesorgane!"
Alle hören aufmerksam zu.
„Ben wird zur Beerdigung von Michaela mitkommen!“ sagt der Vater da mit lauter energischer Stimme, die keinen Widerspruch duldet.
Alle schauen überrascht zu ihm rüber. Sind irritiert, weil er lauter wurde, danach in sich zusammensank und von Herzen so feste weint. Ben kommt zu ihm gelaufen, setzt sich auf seinen Schoß und kuschelt mit seinem Vater. Tränen laufen über die Wangen, bei beiden. Und auch wenn Ben die Welt gerade nicht ganz so gut versteht, so ist es doch wichtig Kinder an die Hand zu nehmen um ihn dieses Geschehen begreiflicher zu machen.
„Schau Ben, Papa ist so traurig, weil die Mama gestorben ist. Darum weint er jetzt. Er hört auch wieder damit auf, aber bestimmt fängt er immer mal wieder an zu weinen. Anfangen, aufhören, anfangen …“ „aufhören“, ergänzt Ben und nickt. Er versteht. Und ich bin dankbar dafür, dass dieser Vater den Mut zusammen nimmt und sein Sohn mit zur Beerdigung nimmt, vor ihm Tränen zulässt und es nicht als unangenehm empfindet. Jung brauchen Jungs und Papas als Vorbilder. Papas brauchen Jungs, die das aushalten und verstehen. 🙏♥️