
28/03/2025
Das Telefon schrillt. Ich bin unsicher, ob ich Wehen hab; ich würde das gern im SJK abklären lassen.
Die Hebamme bespricht mit der Frau kurz andere mögliche, weniger bedrohliche Ursachen. Schlägt ein Entspannungsbad vor.
Doch schnell ist klar, eigentlich ist die Schwangere sich sicher. Und sie ist besorgt. Die Kontraktionen sind regelmäßig. Alle 7 Minuten zieht sich ihr Bauch zusammen. So kräftig, dass sie davon mitten in der Nacht wach geworden ist.
Die Geburtsgeschichten von Vito und Bruno kennend, vertraut die Hebamme dem Bauchgefühl der kompetenten Gravida und verabredet sich mir dem Paar im Kreißsaal.
Als sie dort ankommt, liegt die Frau schon am CTG. Das Gerät schreibt alle 5 Minuten eine deutliche Welle auf das Papier. Mit geschlossenen Augen atmet sie konzentriert, hält schützend ihren Bauch.
Die Eltern wirken ruhig und doch sind ihre Angst und Anspannung spürbar.
Die Hebamme versprüht Positivität und füttert mit ihrem Optimismus das Fünkchen Hoffnung, dass die Wehen vielleicht doch wieder nachlassen könnten.
Ihr erster Sohn wurde in der 27. Schwangerschaftswoche mittels Notkaiserschnitt geboren. Tapfer versucht das Paar sich nicht komplett in dem unerwarteten Deja-vus zu verlieren. Es fällt ihnen schwer, auch wenn die Erfahrung vom letzten Mal Sicherheit und Vertrauen in der aktuellen Situation gibt.
Sie wünschen sich sowohl Lungenreife als auch Wehenhemmung.
Ihr zweites Kind kam, dank Muttermunsverschluss, terminnah, rasant schnell und vaginal zur Welt.
Die Veränderungen sind minimal, trotzdem nimmt die Hebamme die Tendenz wahr.
Die Wehen werden intensiver.
Partosure-Test, diverse Abstriche und Cervixmessung folgen. Der Gebärmutterhals ist verkürzt, ein tiefer Trichter sichtbar.
Der kleine Junge sitzt im Bauch seiner Mutter. Sollte es zur Geburt kommen, rät die Ärztin zu einer Re-Sectio.
Sie möchte Liegen. Die Arbeit ihrer Gebärmutter wird zunehmend anstrengend. Mit 4 Portionen flutet der Wehenhemmer ihren Körper, das Medikament, dass ihr Kind für den Fall, der nicht sein soll, vorbereitet, wird ihr in den Muskel gespritzt. Sie bekommt einen venösen Zugang.
Immer wieder wird er von seinem Emotionen überwältigt. Sie ist gefasst, doch ihr Gesicht spiegelt ihr Inneres.
Einig, ganz nah auf dem Kreißbett streichelt sie tröstend über seinen Kopf.
Geräuschlos taucht sie immer tiefer ins Labourland. Ihre Wangen rot glühend.
Beide ahnen wahrscheinlich bereits jetzt, dass es kein Zurück mehr geben wird.
Die Hebamme informiert in beide Richtungen. Vieles ähnelt der ersten Geburt, aber nicht alles. Heute hat die 34. Schwangerschaftswoche begonnen - dieses Baby ist größer, schwerer und reifer als sein Bruder. Das wird vieles ändern und erleichtern.
Die beiden diensthabenden ÄrztInnen möchten die Frauim Kreißsaal behalten bis die Kontraktionen wenigstens etwas nachlassen.
Eine kurze CTG Pause nutzt sie zum Toilettengang. Im Badezimmer springt die Fruchtblase. Es ist entschieden - ihr drittes Kind wird heute geboren werden.
Beruhigend spricht die Hebamme mit der Gebärenden. Er ist an ihrer Seite.
Um der Lungenreife noch so lange als möglich Zeit zu geben, wird zwar alles vorbereitet, aber abgewartet.
Das CTG bestätigt, dass es dem Kind weiterhin gut geht. Die Wehen kommen und gehen im 3 Minuten Takt.
Die Oberärztin kommt zum erneuten Ultraschall in den Raum. Auf dem Bildschirm scheint es, als stünde die Cervix stabil.
Die nächste Wehe lässt sie tönen. Pustend begegnet sie der plötzlichen Heftigkeit.
Die Ärztin darf vaginal untersuchen und ändert den Plan.
Jetzt darf es schnell gehen. Der Körper der Frau gibt den Weg für das Kind frei, der Muttermund ist bereits 6 m weit.
In kürzester Zeit wird die Schwangere aus dem Geburtsraum in den OP verlegt. Eine Spinalanästhesie ist nicht mehr möglich.
Das Team arbeitet gut zusammen, KollegInnen eilen zur Hilfe.
Sie liegt mit geschlossenen Augen, lässt die Dinge passieren.
Eine kurze Unstimmigkeit zwischen der Anästhesie und den Gyns ist schnell geklärt. Der Alarm erklingt und Menschen strömen in den Saal .
Die Frau schläft - Schnitt.
Der Muttermund ist vermutlich vollständig, sanft aber beherzt hebt der Gynäkologe den Po des Jungen aus dem Becken. Mit wenigen weiteren routinierten Handgriffen folgen die Beine und zuletzt der Kopf.
Während sein Sohn geboren wird, wartet er im Kreißsaal. Die Wiederholung der Ereignisse, die Angst um Frau und Kind lassen ihn Schluchzend zusammensacken.
Sami kommt in die Obhut der NeonatologInnen. Er macht das wie ein Großer. Seine Lungen arbeiten, er braucht lediglich ein wenig Unterstützung. Seine Haut ist rosig und immer wieder mal hört mensch sein zartes Stimmchen unter der Maske.
Er strahlt, auch vor Erleichterung, als die Hebamme ihm die frohe Botschaft überbringt und ihn bald darauf auch mit in den Rea Raum nimmt. Sehr gerührt und ganz zurückhaltend nimmt er Kontakt zu seinem Sohn auf. Zärtlich berührt er ihn zum ersten Mal. Das ist anders und wundervoll.
Sami zieht auf der NEO ein.
Die Wöchnerin wird geduldig aus ihrem tiefen Schlaf erweckt. Noch im Nebel wird sie sich des Schmerzes bewusst.
Er sitzt neben ihr, redet ihr gut zu und lässt sie wissen, wieviel des Schmerzmittels bereits in ihre Vene getropft ist.
Sie liegt in Schonhaltung, so ruhig und bequem sie kann, klagt immer wieder über die massiven Schmerzen und will, dass es aufhört.
Leise und beruhigend rieseln seine Worte, liebevoll und vorsichtig hält und umsorgt er sie.
Ist er tot, fragt sie und er beeilt sich, sie des absoluten Gegenteils zu versichern.
Die Nachwirkungen der Narkose, das Opiat, die Schmerzen, ihre gekrümmten Haltung sorgen für eine grenzwertige Sauerstoffsättigung. Eine Nasenbrille und Atemanleitung lassen die Werte steigen und ein weiteres Schmerzmittel fließt durch den Infusionsschlauch.
Langsam setzt die gewünschte Wirkung ein und der Schmerz lässt nach.
Er geht zum Bonden nach nebenan, sie braucht noch einen Moment.
Die Hebamme spendiert eine Runde Geburtstagskuchen. Er schickt erste Bilder und Videos.
Ich wollte eine schöne Geburt mit Dir, sagt sie.
Du hast anders geboren als gedacht und gewünscht. Du hast geboren wie eine Kaiserin! Es erfordert Mut und Stärke Pläne zu ändern und die Kontrolle abzugeben, wenn es nötig ist. Trotz der Angst zu vertrauen, dass alles gut wird.
Und nichts, was Du getan hast oder gelassen hättest, hätte diesen Verlauf verhindern oder aufhalten können.
Du hast großartig geboren und darfst sehr stolz auf Euch sein.
Im Bett wird sie zu ihrem kleinen Kämpfer gefahren, der ganz ohne Atmenhilfe auf Papas Brust ruht.
Nun kann sie ihn endlich sehen, spüren riechen. Und er sie.
Die Hebamme lässt die Eltern mit ihrem Familienzuwachs allein.
Die Frau schickt ihn nach Hause, wo die 2 großen Bruder warten. Nach ausgiebigem Kuscheln und Stillversuchen schläft Sami seelig und auch sie braucht dringend Schaf.
Es waren eine kurze Nacht und ein langer Tag.
doğum günün kutlu olsun!