02/04/2025
Lesenswert: Niko Kohls, Mehr Lebensfreude durch Achtsamkeit und Resilienz: Gelassener und stärker durch die richtige Balance, Südwest Verlag, 1. Auflage: 14. Juni 2022
Zum Autor: Der Medizinpsychologe Niko Kohls ist seit 2013 an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Coburg als Professor für Gesundheitswissenschaften im Bereich Integrative Gesundheitsförderung tätig. Kohls hat über fünf Jahre eine der weltweit größten Studien zu Achtsamkeit am Arbeitsplatz wissenschaftlich begleitet und hat sich seit mehr als 20 Jahren als Wissenschaftler und Berater schwerpunktmäßig mit den Zusammenhängen von Achtsamkeit, existentiellen Bedürfnissen, Werten sowie Gesundheit, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit beschäftigt. Als Keynotespeaker, Coach und Facilitator unterstützt er Unternehmen, Non-Profit Organisationen und öffentliche Institutionen im Kontext von Personalauswahl und –entwicklung, Führungskräftecoaching, betrieblichem Gesundheitsmanagement und der achtsamen Implementierung von Veränderungsprozessen.
Inhaltsbeschreibung an Hand der Einleitung: In seinem 2022 erschienenen Buch mit dem Titel „Mehr Lebensfreude durch Achtsamkeit und Resilienz: Gelassener und stärker durch die richtige Balance“ hat Niko Kohls nach eigener Aussage, den Versuch unternommen, im Einklang mit der aktuellen Forschung – soweit er diese überblicke und verstehe – eine allgemein verständliche und gleichzeitig neurowissenschaftlich fundierte Lesart von Resilienz zu entwickeln, die durch die Aspekte von Achtsamkeit und Spiritualität bereichert ist.
Gesundheitsforschung und Neurobiologie haben laut Kohls … klar aufgezeigt, dass das Gefühl von Bedeutsamkeit, Verbundenheit, kooperativem Vertrauen und Sinnhaftigkeit nicht nur zentral für die Gesundheit, sondern auch für erfolgreiches Lernen sei. Damit verbundene, aber vormals durchaus skeptisch beäugte Eigenschaften wie Achtsamkeit und Spiritualität rückten … sowohl in den Fokus der Resilienz- als auch der Lernforschung und wärfen so ein neues Licht auf ein altes Phänomen: Stress.
Grundlage der Überlegungen von Niko Kohls ist seine Offenheit für einen erweiterten Resilienzbegriff, der über das übliche individualistische Verständnis von Resilienz als psychische Widerstandskraft resp. „Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen“ (s. Definition: Oxford Languages) hinausgeht und die Bedeutung von Resilienzentwicklung für das Überleben der menschlichen Spezies in einer zunehmend lebensfeindlichen Umwelt prüft.
Den Rahmen dieses Vorgehens setzt Kohls Zugriff auf den 50 Jahre vor der eigenen Buchpublikation veröffentlichten Bericht über die „Grenzen des Wachstums“ des „Club of Rome“. In diesem äußern die Autor:innen einen Standpunkt, der sich prägnant in einem kurzen Statement widerspiegelt, auf dessen Inhalt Kohl programmatisch zurückgreift:
„Letztlich möchten wir nicht verzichten, darauf hinzuweisen, dass der Mensch sich selbst, seine Ziele und seine Wertvorstellungen ebenso erforschen muss wie die Welt, die er zu verändern sucht. Beides erfordert nicht endende Hingabe und Anstrengungen: Schließlich steht der Mensch nicht nur vor der Frage, ob er als biologische Spezies überleben wird, sondern ob er wird überleben können, ohne den Rückfall in eine Existenzform, die nicht lebenswert erscheint“
Kohls Empfehlung an die menschliche Spezies lautet auf diesem Hintergrund, den Blick zunächst nach innen zu wenden, um sich im Anschluss selbstinformiert der Außenwelt zu öffnen. Ziel sei dabei, „erst einmal in sich selbst Ordnung schaffen, um basale Strukturen und Prozesse erkennen zu können, auf deren Grundlage dann Potenzialentwicklung stattfinden kann“. Im Zuge dieses Vorgehens könnten „wir uns achtsam und reflektierend prüfen, um uns so mit unseren bestehenden Kompetenzen und Ressourcen gegebenenfalls in eine andere, prosoziale, kooperative und möglicherweise auch existenzielle oder sogar spirituelle Richtung weiterzuentwickeln“.
Kohls erweiterter Resilienzbegriff umfasst einerseits die negative Abgrenzung von bestehenden Definitionen andererseits eine positiv formulierte Bestimmung. Resilienz ist demnach nicht „auf die Fähigkeit zu wachsen und die Überwindung von Widerständen zu reduzieren“ sondern „vielmehr die Kompetenz, nicht nur die individuelle Existenz, sondern auch das kollektive Zusammenleben konstruktiv in der Zeit stabilisierend zu entwickeln und dem Abenteuer des Lebens – falls nötig – eine andere Richtung zu geben“.
Denn „die eigentliche Wurzel der Resilienz“ sei weniger Widerstandskraft und Durchhaltevermögen. Die Lesart von Resilienz als individuelle Selbstoptimierung sei „unglücklich“. Resilienz sei stattdessen „die Fähigkeit zur Selbstregulation in einem ausbalancierten Netzwerkverständnis“.
Letztlich gehe es bei der Resilienz darum, „mit Anomalien und Unsicherheiten auf eine angemessene Weise umzugehen, um diese als integrale Bestandteile unseres Lebens begreifen zu können“. Die Entwicklung von Resilienz habe sehr viel mit Wahrnehmung und Lernen von Anomalien zu tun, vor allem mit der Art und Weise, wie Gelerntes umgesetzt werde.
Eine neurowissenschaftlich fundierte Leseart von Resilienz, die durch die Aspekte von Achtsamkeit und Spiritualität erweitert sei, entspricht laut Kohls weniger einer Werkzeugkiste resilienten Verhaltens als vielmehr einer psychophysiologisch informierten inneren Haltung dem Leben gegenüber, die im Sinne des Embodiments authentisch im Leben und vor allem im Umgang mit anderen Lebewesen und unserer Umwelt manifestiert werde.
Die grundlegende Idee des Embodiments gehe davon aus, dass Bewusstsein auf eine kongruente Weise leib- und handlungsorientiert verkörpert werden könne, indem motivationale, emotionale und kognitive Prozesse achtsam in eine Fluchtlinie gebracht und somit auf authentische und stimmige Weise manifestiert würden. Der damit einhergehende Bewusstseinszustand der Achtsamkeit in Verbindung mit Spiritualität im Sinne von transpersonalem Vertrauen falle zwar nicht vom Himmel, aber man könne ihn systematisch entwickeln.
Achtsamkeit und Spiritualität erfüllen in dieser Betrachtungsweise einerseits einen Selbstzweck, nämlich das Erreichen dieses individuell und sozial heilsamen Bewusstseinszustandes, werden andererseits von Kohls jedoch in der Gesamtbetrachtung funktional eingebunden wahrgenommen und analysiert. In dieser Perspektive dienen beide Phänomene der Resilienz der menschlichen Spezies in einer zunehmend und durchaus selbstgemacht lebensfeindlichen und psychophysiologisch Stress erzeugenden Umwelt.
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