26/12/2024
Im Sommer erhielten wir bei Lavia einen Anruf und Matthias, der Vater von Lotta, Edda, Lene und Paul, Ehemann von Julia, fragte nach Familientrauerbegleitung.
Er erzählte, dass er nach einer Ringelrötelerkrankung, die später ganze Familie „erwischt“ hatte, eine Herzmuskelerkrankung als Nebenwirkung hatte und nach einem Herzstillstand ins Koma fiel. Während sich seine Frau um die vier kleinen und jungen Kinder kümmerte, zwischen ihrem Mann in der Uniklinik und den Schwiegereltern und dem eigenen Zuhause hin und her pendelte, erkrankten auch die Kinder an dem Infekt und der elfmonatige Paul erlitt unbemerkt wie der Vater eine Herzmuskelentzündung. Vollkommen überraschend verstarb er, in Julias Arm. Die trauernde Mutter kümmerte sich um die drei Mädchen und den Ehemann, der noch weiterhin im Koma lag.
Ein Segen, dass Matthias überlebte um dann zu hören, dass sein kleiner Junge, der mit dem er doch Lego bauen und so andere Jungs-Sachen machen wollte, tot war. Gestorben, weg, nicht mehr da. Nicht mehr da? Doch, irgendwie schon noch.
Julia hatte Paul noch nicht beerdigen lassen, denn nein, Matthias, der Papa sollte dabei sein, wenn ihr jüngstes Kind beerdigt wird. Und es wäre auch gut, wenn er als Partner an ihrer Seite wäre – und als Papa an der Seite der Töchter.
„Ihr wohnt weit weg“, sagte ich. „Es gibt auch auf dem Weg zu uns Trauerbegleitende.“ „Ja“, sagte Matthias, „aber wir haben niemanden gefunden, der sich zutraut, uns mit unserer „Geschichte“ zu begleiten.“
Und dann saßen wir im LAVIAhaus alle zusammen, die Familie, Anna, meine Kollegin der LAVIA gGmbH und ich. Nach der ersten gemeinsamen Runde ging Anna mit den Mädchen in den Nebenraum während ich mit den Eltern sprach. Während die Kinder mit Anna erzählten, malten sie jeweils eine Kerze für Paul – eine Grabkerze mit Geheimbotschaften im Deckelinneren.
Matthias, Julia und ich sprachen über das neue Miteinander, die Kinder, die anstehende Beerdigung und ja, natürlich über Trauer.
Matthias und Julia besuchen seit einigen Monaten die Trauergruppe der verwaisten Eltern im LAVIAhaus. Lotta kommt zu einer Kindergruppe, Lene und Edda besuchen eine Kindertrauergruppe, die ihrem Alter entspricht. Einzelgespräche bieten wir immer allen Familien, die unsere Gruppen besuchen, nach Bedarf an.
Zur letzten Eltern-Trauergruppe, die wir im LAVIAgarten in der Kota beim Lagerfeuer verbrachten, Hatten Julia und Matthias selbstgebackene Plätzchen in Herz,-Smiley-, Wolken-, Sonnen-, Tränen- und Punkteform dabei. Wer von euch den LAVIA-Gefühlsstein kennt, würde alle Symbole des Steins wiedererkennen.
Familie Holz ist eine Familie, die Trauriges gemeinsam überlebt und in ihrem nun neuen Leben dennoch neben traurigen Momenten und schöne Momente hat. Es braucht Zeit für eine „neue Normalität“, ein Begriff, den Florian in unserer Trauergruppe geprägt hat, dessen Tochter Mia, ein Pfadfindermädchen, das Legospielen liebte, zu früh verstarb.
Ich liebe dieses Foto, das ihr auch hier seht. Es zeigt, dass Familien mit einem schweren Schicksal nicht nur am Boden zerstört sind. Es gibt auch die schönen Momente – aber ja, es gibt auch so viele verdammt schwere Zeiten. Es ist ein Auf und Ab und wer von den Menschen drumherum glaubt, nach 6 Wochen oder 3 Monaten würde langsam alles wieder gut werden, der irrt – meist. Denn nach 6 Wochen oder drei Monaten geht es meist erst mal so richtig mit der Trauer los, weil man immer mehr begreift, was „tot-sein“ in der Realität bedeutet.
Dass wir Familie Holz und weitere 109 Familien aus 23 Städten im Jahr 2024 begleiten konnten, verdanke ich meinem großartigen Team, was über bezahlte Stunden hinaus für LAVIA da ist (weil sie es manchmal so (freiwillig) tun) und zudem verdanken die Familien verdanken es allen Spender:innen, die es ermöglichen, dass wir als pädagogische Fachleute mit einer Familientrauerbegleitungsausbildung in Verlustzeiten oft DA sein können.
Ja, für viele Situationen, in die wir von Trauernden, auch von Polizei, Kliniken, Therapeut:innen, Schulen und Kitas gerufen werden, braucht es neben der Trauerbegleitungsweiterbildung auch eine pädagogische Grundausbildung – und für Fachleute braucht es wieder Geld, das für Trauerbegleitung von staatlicher Seite kaum gezahlt wird.
Daher sind wir Euch allen immer wieder dankbar, wenn Ihr Familien in Trauer finanziell unterstützt.
Die Bethe-Stiftung verdoppelt zurzeit für die LAVIA gGmbH Spenden,
die mit dem Verwendungszweck
„NRW spendet Trost“
die auf das Konto
DE52 3606 0295 1001 3390 24
eingezahlt werden.
Bis zu 10.000 Euro verdoppelt die Bethe-Stiftung und wir würden uns riesig freuen, ihr würdet in diesen Spenden-Marathon mit einsteigen, weitere Menschen dazu animieren, die Aktion teilen und kurz gesagt: wenn ihr helft zu helfen.
Ja, jeder Cent hilft, weil jeder Cent verdoppelt wird.
Danke an Euch, Familie Holz, für das Erzählen von einem Teil Eurer Lebensgeschichte und für das Mutmachen fürs Weitermachen und eure Herzlichkeit, die u.a. Traurigkeit und auch Freude beinhaltet.
Danke Euch Leser:innen für Euer Teilen und Euer Mittun.
Wir wünschen Euch von Herzen gesegnete Weihnachten und Trost, Ausdauer und Zuversicht bei all dem, was weh tut. Es wird – aber es braucht Hoffnung, Machen und Zeit.