02/09/2025
Warum Eisenmangel müde macht – und was das mit Sauerstoff, ATP, Mitochondrien, Schilddrüse, Stoffwechsel und Darm zu tun hat
Wenn jemand ständig müde ist, sich antriebslos fühlt und der Stoffwechsel gefühlt im Schneckentempo läuft, kann Eisenmangel dahinterstecken. Eisen ist weit mehr als nur ein Bestandteil des roten Blutfarbstoffs – es ist an ganz grundlegenden Prozessen im Körper beteiligt. Und wenn davon zu wenig da ist, zieht das einen ganzen Rattenschwanz an Problemen nach sich.
Eisen ist notwendig, um Hämoglobin zu bilden – das ist der Stoff in den roten Blutkörperchen, der Sauerstoff von der Lunge in die Körperzellen transportiert. Wenn Eisen fehlt, kann weniger Sauerstoff transportiert werden, die Zellen werden unterversorgt und der Körper schaltet in den Sparmodus.
In den Zellen sitzen die Mitochondrien, unsere „Kraftwerke“. Sie produzieren ATP, also Zellenergie, mithilfe von Sauerstoff und Nährstoffen. Bei ausreichendem Sauerstoff entstehen bis zu 30–32 ATP-Moleküle pro Glukosemolekül. Wenn Eisen fehlt, sinkt der Sauerstofftransport und damit auch die ATP-Produktion. Zusätzlich ist Eisen direkt an Enzymen in der Atmungskette beteiligt – fehlt es hier, läuft die ATP-Produktion unabhängig vom Sauerstoffangebot nicht mehr richtig.
Gibt es Notlösungen?! Ja, aber sie sind wenig effizient. Ohne ausreichend Sauerstoff schaltet der Körper auf anaerobe Glykolyse um. Das bringt nur 2 ATP pro Glukosemolekül. Gleichzeitig entsteht Laktat, das den Körper zusätzlich belastet. Kurzfristig steigert der Körper auch Atem- und Herzfrequenz oder reduziert den Energieverbrauch, aber das sind Notprogramme, keine Lösungen.
Die Schilddrüse ist unser innerer Taktgeber. Sie steuert, wie schnell der Stoffwechsel läuft, wie viel Wärme wir produzieren, wie aktiv die Zellen arbeiten. Damit die Schilddrüse Hormone bilden kann, vor allem T3 (Trijodthyronin) und T4 (Thyroxin) – braucht sie mehrere Mikronährstoffe. Neben Jod und Selen ist auch Eisen entscheidend.
• Eisen ist wichtig für das Enzym Thyreoperoxidase (TPO). Dieses Enzym hilft dabei, aus Jod Schilddrüsenhormone zu bauen.
• Wenn Eisen fehlt, wird TPO gehemmt, die Hormonproduktion sinkt.
• Das kann sich wie eine leichte Unterfunktion anfühlen: Gewichtszunahme, Kältegefühl, Verstopfung, trockene Haut, depressive Verstimmungen, Zyklusunregelmäßigkeiten.
Hinzu kommt: Wenn weniger Energie (ATP) da ist, können Schilddrüsenzellen weniger aktiv arbeiten, selbst wenn theoretisch genug Hormone vorhanden wären. Die Schilddrüsenfunktion ist also doppelt betroffen - durch den Mangel an Bausteinen und durch den Mangel an Energie in der Zelle.
Wenig ATP heißt: Der Körper spart Energie, fährt den Stoffwechsel runter, verbrennt schlechter. Menschen mit Eisenmangel nehmen oft schneller zu, obwohl sie nicht mehr essen, einfach weil der Grundumsatz sinkt.
Zudem beeinflusst Eisen, wie gut Kohlenhydrate überhaupt verbrannt werden können:
• Für den vollständigen Abbau von Glukose in den Mitochondrien braucht es Sauerstoff und eine funktionierende Atmungskette.
• Bei Eisenmangel wird Glukose unvollständig abgebaut, was zu niedriger Energieproduktion führt, aber auch zu Heißhunger auf schnelle Energie wie Zucker.
• Gleichzeitig steigt das Risiko für Insulinresistenz, weil der Zucker nicht ordentlich verstoffwechselt wird.
Auch der Darm leidet unter Eisenmangel – direkt und indirekt:
Verlangsamte Darmbewegung
Die Darmmuskulatur braucht ATP. Wenn nicht genug Energie da ist, wird die Darmbewegung träger, was zu Verstopfung, Blähungen oder einem Gefühl von „Völlegefühl“ führen kann.
Schwächere Darmschleimhaut
Die Schleimhaut des Darms wird regelmäßig erneuert. Dafür braucht es Energie und Mikronährstoffe, darunter auch Eisen. Ein Mangel kann die Schleimhaut schwächen, was die Barrierefunktion des Darms beeinträchtigt.
Veränderte Darmflora
Eisenmangel verändert das Milieu im Darm. Einige nützliche Bakterienarten brauchen Eisen, andere (teils ungünstige) gedeihen besser bei Eisenmangel. Das kann langfristig zu Dysbiosen führen.
Schwächeres Immunsystem im Darm
Ein großer Teil des Immunsystems sitzt im Darm. Energie ist auch hier der Schlüssel – fehlt sie, können Immunzellen im Darmtrakt nicht mehr richtig reagieren.
Einfluss auf die Pankreaselastase
Ein oft übersehener Zusammenhang betrifft die Bauchspeicheldrüse: Bei länger bestehendem Eisenmangel kann indirekt auch die Produktion und Ausschüttung von Verdauungsenzymen reduziert sein. Darunter auch die Pankreaselastase, ein Marker für die exokrine Funktion des Pankreas. Ein niedriger Pankreaselastase-Wert im Stuhl weist auf eine verminderte Enzymproduktion hin, was wiederum die Verdauung und Nährstoffaufnahme schwächt. Es entsteht ein Teufelskreis: schlechtere Nährstoffverwertung → verstärkter Mangel → weiter sinkende Energieproduktion.
Eisenmangel betrifft nicht nur das Blutbild, sondern nahezu jedes System im Körper: Sauerstofftransport, Energieproduktion, Schilddrüsenfunktion, Stoffwechsel, Darm und Immunsystem. Und obwohl der Körper versucht, diesen Mangel zu kompensieren, sind diese Strategien auf Dauer nicht tragfähig. Müdigkeit ist deshalb nicht das eigentliche Problem, sondern ein deutliches Warnsignal.
Natürlich ist Eisen ein zentraler Baustein für den Energiestoffwechsel, aber bei weitem nicht der einzige. Damit die Mitochondrien zuverlässig ATP produzieren können, braucht es ein Zusammenspiel aus vielen Nährstoffen, Enzymen und Kofaktoren.
Wichtige Mitspieler sind zum Beispiel:
Magnesium, B-Vitamine (v. a. B1, B2, B3, B5, B6, B12), Vitamin C, Vitamin E, Coenzym Q10, Alpha-Liponsäure, L-Carnitin, Kupfer, Selen, Mangan, Zink und Omega-3-Fettsäuren – sie alle tragen auf unterschiedliche Weise dazu bei, dass die Mitochondrien Nährstoffe verwerten, Sauerstoff nutzen, Enzyme aktivieren und Zellschutz gewährleisten können.
Nur wenn diese Faktoren im Gleichgewicht sind, läuft der Energiestoffwechsel stabil und die Zellen bleiben leistungsfähig.
Heilpraktikerin & Osteopathin
Claudia Kircher