07/10/2025
In viele Hundegruppen lese ich, dass Hunde aus Trotz Dinge kaputt machen, ins Haus pi***ln oder einen Haufen in der Wohnung machten, weil sie zb sauer waren, dass man sie alleine gelassen hatte oder sie nicht aufs Sofa durften.
Ist das denkbar?
Nein. Wissenschaftlich spricht nichts dafür, dass Hunde „trotzig“ handeln.
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🔍 Was wirklich hinter solchen Situationen steckt
Wenn ein Hund ins Wohnzimmer pinkelt oder kotet, nachdem er etwas nicht durfte (z. B. aufs Sofa), dann interpretieren viele das als „Rache“ oder „Trotz“.
Aber: Trotz ist ein menschliches Konzept – es setzt Bewusstsein über soziale Normen, Absicht und Moral voraus. Das können Hunde so nicht leisten.
👉 Professor Dr. Juliane Kaminski (Leiterin des Dog Cognition Centre, University of Portsmouth) erklärt dazu:
„Hunde verstehen, was wir tun und wie wir uns verhalten, aber sie denken nicht moralisch oder strategisch im Sinne von: ‚Jetzt zeig ich’s dir‘.“
(Quelle: Kaminski, J. & Marshall-Pescini, S. The Social Dog: Cognition and Behavior, Elsevier, 2014)
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💡 Was stattdessen passiert
Was als „Trotz“ wirkt, ist eine emotionale Reaktion auf Stress, Frustration oder Unsicherheit:
• Der Hund kann die Situation nicht kontrollieren (z. B. Zugang zum Sofa, Bezugsperson zieht sich zurück).
• Er erlebt Frustration – eine gut belegte Emotion bei Hunden.
In Studien zeigte sich, dass Hunde bei verweigerter Belohnung Stresssymptome, erhöhte Erregung und sogar Cortisolanstieg zeigen.
(McPeake et al., Applied Animal Behaviour Science, 2019; Flint et al., Animals, 2020)
• Manche Hunde reagieren mit Übersprungshandlungen – Scharren, Bellen, Lecken oder Ausscheiden. Das ist kein Trotz, sondern Stressabbau.
• Angst oder Überforderung (z. B. nach Konflikten, lautem Schimpfen, veränderten Routinen) können ebenfalls zu solchen Reaktionen führen.
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🧬 Stress schlägt auf Körper und Verdauung
Wie beim Menschen kann auch beim Hund Stress buchstäblich „auf den Magen schlagen“:
Sympathikusaktivierung verändert die Darmmotilität, was zu plötzlichem Kot- oder Harnabsatz führen kann.
(Beerda et al., Physiology & Behavior, 1998; Dreschel, Journal of Veterinary Behavior, 2010)
Das heißt: Der Hund entleert sich nicht „aus Protest“, sondern weil sein Nervensystem überreagiert.
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💬 Fazit
Hunde handeln nicht trotzig – sie reagieren emotional.
Wenn dein Hund irgendwo hinmacht, frag nicht: „Will er mir eins auswischen?“,
sondern: „Was hat ihn gestresst, verunsichert oder überfordert?“
So erkennst du die wahren Ursachen – und hilfst ihm, sich wieder sicher zu fühlen.
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Quellen (Auswahl):
• Kaminski, J. & Marshall-Pescini, S. (2014). The Social Dog: Cognition and Behavior. Elsevier.
• McPeake, K. et al. (2019). Development of a validated canine frustration questionnaire. Applied Animal Behaviour Science, 217.
• Flint, H.E. et al. (2020). Behavioural responses to frustration in dogs. Animals, 10(10):1833.
• Beerda, B. et al. (1998). Chronic stress in dogs subjected to social and spatial restriction. I. Behavioral responses. Physiology & Behavior, 66(2).
• Dreschel, N. (2010). The effects of fear and anxiety on health and lifespan in pet dogs and cats. Journal of Veterinary Behavior, 5(5).