25/11/2024
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Jo-Jo-Effekt: Fettzellen haben epigenetisches Gedächtnis
Mittwoch, 20. November 2024
Zürich – Den meisten Menschen fällt es schwer, nach einer Reduktionsdiät das erreichte Körpergewicht zu halten. Die erneute Gewichtszunahme, auch Jo-Jo-Effekt genannt, könnte nach den Ergebnissen einer Studie in Nature (2024; DOI: 10.1038/s41586-024-08165-7) auf einem epigenetischen Gedächtnis der Fettzellen beruhen.
Bei den meisten Menschen ist die Adipositas nicht Folge einer genetischen Prädisposition. Sie nehmen zu, weil sie über viele Jahre mehr Kalorien zu sich nehmen, als sie verbrauchen. Wenn sie später versuchen, den Trend umzukehren, stoßen sie oft an eine unüberwindliche Grenze.
Nach einem kurzfristigen Diäterfolg kommt es zu einer erneuten raschen Gewichtszunahme. Nicht selten ist das Gewicht am Ende höher als vor dem Diätversuch. Viele haben das Gefühl, dass die Adipositas bei ihnen in den Genen festgeschrieben ist.
Forscher am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich haben die Auswirkungen von Adipositas und Gewichtsreduktionen auf die Fettzellen mit der Einzelkern-RNA-Sequenzierung untersucht. Diese Transkriptomanalyse zeigt, welche Gene in einer Zelle aktiv sind.
Bei adipösen Patienten sind dies in den Fettzellen teilweise andere Gene als bei schlanken Personen. Dies erklärt sich vermutlich aus den veränderten Aufgaben. Die Fettzellen adipöser Menschen speichern überschüssige Kalorien als Fettsäuren, müssen sie aber selten wieder abgeben. Bei schlanken Personen gibt es ein Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen.
Ein Vergleich von 2 Transkriptomanalysen, die bei adipösen Patienten vor und nach einer bariatrischen Operation durchgeführt wurden, ergab nun, dass sich die Fettzellen nach der Operation nicht auf die neuen Verhältnisse eingestellt hatten. Obwohl die Patienten deutlich an Gewicht verloren hatten, blieben einige metabolisch relevante Gene weiterhin vermehrt aktiv.
Solange die Diät anhält, hat dies keine Auswirkungen auf das Gewicht. Wenn aber die alten Essgewohnheiten wieder aufgenommen werden, kommt es relativ schnell zu einer erneuten Gewichtszunahme: Die Kilos, die die Personen vorher langsam über Jahre angehäuft hatten, nehmen sie jetzt innerhalb kurzer Zeit zu. Nach der bariatrischen Operation bleibt die Gewichtszunahme allerdings zumeist aus, weil die Operationen die Nahrungsaufnahme begrenzen.
Eine Erklärung für die anhaltenden Veränderungen im Transkriptom fanden die Forscher in Experimenten an Mäusen. Bei den Nagern kommt es unter einer fettreichen Nahrung ebenfalls zu einer Gewichtszunahme, die ebenfalls die Transkription der Gene verändert. Wenn die Tiere dann auf eine Diät gesetzt wurden, nahmen sie ab, und die meisten Stoffwechselstörungen, etwa die Hyperinsulinämie, besserten sich. Die Veränderungen im Transkriptom blieben jedoch bestehen.
Das Team um Ferdinand von Meyenn vermutete, dass längere Phasen einer hyperkalorischen Ernährung zu Veränderungen auf der epigenetischen Ebene führen. Es handelt sich um Veränderungen an der DNA oder den Histonen (Eiweiße, um die der DNA-Strang gewickelt ist). Sie beeinflussen, welche einzelnen Gene abgelesen werden können oder nicht.
Epigenetische Veränderungen dienen der Anpassung an neue Umweltbedingungen. Sie sind dabei häufig träge. Sie stellen sich erst nach längerer Zeit ein, bleiben aber häufig bestehen, wenn sich die Gegebenheiten wieder verändert haben.
Die Forscher fanden tatsächlich epigenetische Veränderungen, die mit dem Transkriptom korrelierten und möglicherweise erklären, warum sich die Zellen nach einer kurzen Diätphase nicht wieder auf eine normale Verarbeitung der Nährstoffe umstellen und weiterhin eine hohe Bereitschaft zur Anhäufung von Fetten zeigen.
Wie lang das epigenetische Gedächtnis der Fettzellen anhält, ist nicht bekannt. Spätestens bei der Erneu¬erung der Fettzellen durch Zellteilung sollte das Gedächtnis verloren gehen. Fettzellen sind jedoch langlebige Zellen, die erst nach zehn Jahren erneuert werden. Die Bereitschaft zu einer erneuten Gewichtszunahme könnte deshalb über viele Jahre erhalten bleiben.
Hinzu kommt, dass die Forscher nur das epigenetische Gedächtnis der Fettzellen untersucht haben. Am Energiestoffwechsel und der Regulierung des Körpergewichts sind jedoch noch andere Zellen beteiligt, die ebenfalls ein epigenetisches Gedächtnis haben könnten.
Es könnte also sein, dass Menschen mit Adipositas viele Jahre Geduld benötigen. Dies zeigt sich derzeit auch bei den Patienten, die mit Hilfe von GLP-1-Agonisten ihre Gewichtsprobleme lösen. Bisher ist unklar, wie lange die Behandlung fortgesetzt werden muss und wann die Patienten die Mittel absetzen können, ohne dass es danach zu einem Jo-Jo-Effekt kommt. © rme/aerzteblatt.de