14/03/2020
Vorgestern Abend war ich zur Rushhour in Wien unterwegs. Halbleere U-Bahngarnituren. Menschen die verzweifelter als je zuvor, ihre Köpfe in ihren Smartphones vergruben. Menschen die versuchten sich bestmöglich auszuweichen, physisch, wie mental. Angst! Die Grundenergie, die ich wahrnahm, war Angst und Verunsicherung. In einem Biotop, welches von Angst geprägt ist, bekommen wir es leicht selber mit der Angst zu tun, so ist es auch mir ergangen, ich habe also gespürt, wie Angst aufkommt, wurde unruhig und nervös. Darf das sein? Mein innerer Kritiker ist sofort angesprungen: „Wie bitte? Du hast echt Panik wegen diesem doofen Virus? Da musst doch gerade du, der so viel übt und Achtsamkeit und Mitgefühl „Unterrichtet“ darüberstehen. Du darfst keine Angst haben, du hast gefälligst ein starker und mutiger Mann zu sein! Wahrscheinlich haben die Anderen gar keine Angst, sondern nur du!“ Usw. ...
Stop! Bitte Aussteigen! Nicht aus der U-Bahn, sondern aus dem Gedankenkarussel.
Ich habe mich - nachdem ich mir einige tiefe Atemzüge gegönnt hatte - gefragt „Was brauchen die Menschen hier und was brauche ich in diesem Moment? Die Antworten waren schnell da: Mitgefühl, Leichtigkeit, Sicherheit, Freundlichkeit, Präsenz, Vertrauen und Verbindung. Alles Antworten, die ich als „Gegenmittel“ für angstvolle Zustände verstehe. Das war also mein Weg raus aus der Schleife, ich habe mich mit meinen und den Bedürfnissen der Menschen um mich herum verbunden. Das fällt in der Achtsamkeits- und Mitgefühlspraxis, auch in den Bereich „Gemeinsame Menschlichkeit“. „Here we are, all in the same Boat“ sagte Paul Gilbert einst, ein Pionier in der Mitgefühlsforschung. „Hier sind wir also, alle in derselben U-Bahn“, habe ich mir schmunzelnd für einen Moment gedacht. Dann wurde es leichter. Ich bin unendlich dankbar für diese Möglichkeiten, für die Strategien, die ich gefunden habe, um mit fordernden Situationen heilsamer umzugehen. Falls du nach ähnlichen Möglichkeiten suchst, hier kannst du lesen, wie ich weiter damit umgegangen bin.
Schritt 1: Achtsamkeit
Was ist da gerade los? Nimm deine Gefühle wahr und lasse sie so gut es geht da sein, nicht dagegen ankämpfen, nicht in den Widerstand gehen. Einfach wahrnehmen und zulassen. Auch wenn unsere erste natürliche Reaktion ein "das will ich nicht!" ist, es ist völlig in Ordnung Angst zu spüren oder unsicher zu sein.
Schritt 2: Grounding – Erdung - Präsenz
Spüre deine Füße, spüre noch mal deine Füße und noch mal deine Füße. Mach ein paar Schritte und noch ein paar Schritte mehr. Verbinde dich mit den Körperempfindungen dabei, verbinde dich mit der Erde. Sei ganz bei dem, was du tust. Gehen und Spüren. Gehen und Spüren ....
Schritt 3: Atmen
Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Wie fließt er gerade? Erreicht der Atemfluss den Bauch oder bleibt er vielleicht im Brustbereich „stecken“? Nimm ganz bewusst einige etwas tiefere Atemzüge. Du kannst den Atem dabei auch ein bisschen langsamer werden lassen, so wie es sich für dich gut anfühlt. Verbinde wenn möglich, mit dem Ausatmen eine Intention des Loslassens und der Beruhigung. Einatmen, den Bauch spüren – Ausatmen, loslassen, beruhigen ...
Schritt 4: Mitgefühl
Mach dir bewusst, was du brauchst, was jetzt hilfreich und unterstützend für dich wäre und falls welche da sind, auch was die Menschen um dich herum brauchen könnten. Vielleicht tauchen ähnliche Antworten auf, wie es bei mir der Fall war. Freundlichkeit, Mut, Mitgefühl, Verbindung, Sicherheit ... Oder was auch immer. Wünsch dir eine oder mehrere dieser Qualitäten innerlich. Ich wünsche mir Leichtigkeit. Ich wünsche euch Leichtigkeit. Ich wünsche mir Mitgefühl. Ich wünsche euch Mitgefühl ...
Mögen wir gehalten sein in Mitgefühl.
Auch wenn ich sonst nichts weiß, eines weiß ich ganz sicher, Mitgefühl können wir alle gerade besonders gut brauchen.