27/04/2018
Ursachen und Diagnostik für HERZKREISLAUFERKRANKUNGEN:
Trotz Fortschritten und Erkenntnissen in diesem Bereich schildert der aktuelle Herzbericht 2016 der Herzstiftung nach wie vor ein Defizit in der Versorgung von Frauen. Wie in den Vorjahren sterben bei Betrachtung der Herzkrankheiten in der Summe mehr Frauen als Männer, wie der neue "Deutsche Herzbericht 2016" dokumentiert. 110.915 Frauen im Vergleich
zu 97.061 Männern starben 2014 an KHK/Infarkt, Herzklappenerkrankungen, Rhythmusstörungen, Herzinsuffizienz und angeborenen Herzfehlern (ÄZ, 27.01.2017).Besonders auffällig sei die höhere Sterblichkeit bei Frauen mit Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen und Klappenerkrankungen (siehe Zusammenfassung in der Tabelle).
Eine weiteres Beispiel für die Unterschiede zwischen Mann und Frau ist das „Broken-Heart-Syndrom“ (Takotsubo-Kardiomyopathie: die linke Herzkammer verformt sich wie eine japanische Tintenfischfalle), d.h. auf seelischen und körperlichen Schmerz reagieren Frauen anders als Männer. Forscher haben jetzt herausgefunden, dass das Syndrom am häufigsten bei Frauen nach den Wechseljahren auftritt und durch emotional belastende Ereignisse wie auch durch akute körperliche Beschwerden ausgelöst werden kann. Sogar gute Nachrichten und freudige Begebenheiten lassen das Herz brechen (ÄZ 6.6.2017).
Die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) rücken nun den Auslöser "körperlicher Stress" stärker in den Mittelpunkt (Front Psychol 2017; 8:527). Die Studie bestätigt, dass bei Männern Infektionen, Unfälle oder Ähnliches, also alles, was den Körper belastet, oft Auslöser für eine Takotsubo-Kardiomyopathie sind, teilt die DZHK mit. Im Gegensatz dazu sei es bei Frauen der emotionale Stress. Die Studie hat aber auch ergeben, dass körperlicher Stress als Auslöser die Prognose sowohl bei Frauen als auch bei Männern erheblich verschlechtert. Bisher ging man bei dem „Broken-Heart-Syndrom“ (Takotsubo-Kardiomyopathie) davon aus, dass das dabei auftretende Herzinfarkt ähnliche Beschwerdebild keine weitere Folgen für die Betroffenen hat. Diese Studie zeigt, dass schwerwiegende Komplikationen wie lebensbedrohliche Arrhythmien, wiederholtes Herzversagen, Apoplexie, Herzinfarkt und rezidivierende Takotsubo-Kardiomyopathie auftreten, wenn körperlicher Stress das Broken-Heart-Syndrom verursacht. Treten also bei Frauen emotionaler und körperlicher Stress gleichzeitig auf, können diese schwerere Folgen für sie haben als bei Männern.
Auch das Immunsystem von Frauen und Männern ist sehr unterschiedlich. Frauen haben bessere Chancen, schwere Infektionen zu überleben. Bei Autoimmunerkrankungen sind sie allerdings eher betroffen: rund 80 Prozent der Patienten sind weiblich (ÄZ, 3. Mai 2017).
Männer sind empfänglicher gegenüber pathogenen Viren, Bakterien, Pilzen und Parasiten. Statistiken zeigen, dass Frauen im Allgemeinen die besseren Chancen haben, schwere Infektionen zu überleben. Die Vermutung liegt nahe, dass somit Sexualhormone einen gewichtigen Einfluss auf das Immunsystem haben und schließlich beim weiblichen Geschlecht für die effektivere Abwehr sorgen. Allem Anschein nach ist das Hormon-Signalling (Östrogen- oder Testosteronwirkung) an einer Vielzahl von Effekten beteiligt. Immer deutlicher wird aber auch, dass Gene auf dem X- und Y-Chromosom eine bedeutende Rolle spielen. Das zeigt eine Veröffentlichung in der Fachzeitschrift PNAS vor einigen Wochen (PNAS 2017 114 (13) 3491-3496).
Aber auch bei Angriffen des Immunsystems auf den eigenen Körper (Autoimmunerkrankungen wie z.B. Rheuma) unterscheiden sich die Geschlechter. Rund 80 Prozent der Patienten mit einer Autoimmunkrankheit sind weiblich. Asthma bei Frauen kommt häufiger vor und ist stärker. Das Gleiche gilt auch für den ganzen Körper betreffende schwere allergische (anaphylaktische) Reaktionen. Wenn das Immunsystem den eigenen Verdauungstrakt bei einem Reizdarmsyndrom angreift, geschieht das bei Frauen zwei bis vier mal häufiger als bei Männern.
Schließlich unterscheiden sich die Geschlechter auch bei ihrer Reaktion auf Schutzimpfungen. Bei fast allen gebräuchlichen Impfstoffen ist die Antikörper-Antwort bei Frauen wesentlich höher als bei Männern. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Mädchen eine geringere Impfstoff-Dosis für den gleichen Titer benötigen als Jungen. Jedoch ist bei ihnen auch die Gefahr lokaler und systemischer Reaktionen höher.
Auf alle Typen pathogener Mikroorganismen bezogen sind Männer eher das Ziel einer Infektion als Frauen, außerdem stoßen diese Mikroorganismen beim weiblichen Geschlecht meist auf eine massive Abwehr und es kommt daher zu höheren Überlebensraten. Dies gilt fast durchgängig für alle höheren Lebewesen. Beim Menschen finden sich beim Mann zwar höhere Titer an „Killer“(NK)-Zellen (zuständig für spezialisierte Immunantwort), Neutrophile und Makrophagen (zuständig für allgemeine Immunantwort) diese sind dafür bei Frauen umso aktiver.