23/04/2023
Ich bin und war schon immer Wandlerin zwischen genau den Welten, von denen wir lernen, dass sie unbedingt ordentlich getrennt bleiben sollen.
Das hat mich oft zu einer gemiedenen Person werden lassen.
Gleichzeitig glaube ich, dass ich gerade in dieser Zeit sehr gebraucht werde - mit meinem ureigenen und sehr speziellen Blick. Wenn du einen strukturierenden Blick von oben, Feinheit und Genauigkeit liebst und kein Problem damit hast, auch dich selbst zu hinterfragen, dann ist der Text für dich. Wenn es dir zu viel, zu verkopft (unemotional) oder zu kompliziert ist, scroll einfach weiter.
Bei genauerem Hinsehen ist es SEHR emotional. Aber eben auch nachdenklich dabei. Das krieg ich gut zusammen.
ICH BIN ZUTIEFST ÜBERZEUGT, DASS WIR DIE BEREITSCHAFT ZUM GENAU HINSEHEN, ZUR KLEINTEILIGEN INTEGRATION BRAUCHEN, UM AUS UNSEREN KOLLEKTIVEN SPALTUNGEN - KÄMPFEN ODER KALTEN KRIEGEN - HERAUSZUFINDEN.
Kalter Krieg meint an dieser Stelle das Aufrüsten mit „Informationen“ oder „Argumenten“, die die eigene Verleugnung stützen.
Ich habe gemerkt, dass mich die Weihen der Wissenschaft immer weniger darüber hinwegtrösten, wie klein und eng ihr Blick ist. Das ist der Grund, warum ich aus dem Kassensystem ausgestiegen bin. Wie stark darin eine selbstquälerische Fokussierung auf das Leiden (selektiv mitfühlend von innen geschaut) bzw. das Defizitäre oder Nichtfunktionieren (lieblos von außen geschaut, in Diagnosen gegossen) enthalten ist.
Mit den Worten unserer Kultur: „Der Mensch als Mängelwesen“.
Meine therapeutische Arbeit hat sich auf eine Weise entwickelt, die aus der körperlichen Erforschung von Verbundensein mit mir selbst und anderen stark spirituell geworden ist (auch wenn mein Vokabular ein ganz anderes ist) und Energien sowie das kollektive Feld integriert. Deshalb habe ich sowohl viele spirituelle Coaches und Mentoren als auch viele Bodyworker / TraumatherapeutInnen in meinem Feld.
In der spirituellen Ecke ist meinem Erleben nach stark eine Tendenz zu bagatellisieren, ignorieren bzw. leugnen oder sogar eine Negation oder Schuldzuschreibung spürbar, wenn Menschen und Wissenschaftler von der Wucht der Existenz von Trauma als körperlicher Realität sprechen.
Das ist als Reflex sehr verständlich - und gut kulturell eingebettet in die kollektive Verleugnung von Schmerz und flächendeckende Dissoziation in eine unkörperlich-rationale „Geisteshaltung“. Ebenso in die Tradition, Leiden auf den Einzelnen zu schieben und kollektive Verantwortung in Form von Schuld an die Opfer abzuschieben.
Immer wieder wird auf der anderen Seite der Protest laut, Trauma als Realität im Nervensystem doch bitte nicht zu negieren und Schwierigkeiten dabei, einfach die Frequenz zu wählen, als selbstgewollt oder verschuldet zu verbuchen. Die Rückseite davon ist nicht selten eine reaktive Einengung des Blicks auf Traumatisches und Verleugnung der spirituellen Wahrheit, die höchst manipulativ zur eigenen Selbstaufwertung genutzt wird.
Die spirituelle Wahrheit, dass es kein Trauma gibt, wird erst dann leibliche Realität, wenn Trauma bei uns selbst und anderen voll emotional anerkannt, betrauert und integriert ist.
Davon sind wir Lichtjahre entfernt. Das ist menschlich. Aber solange wir es leugnen und die Augen davor verschließen, KANN es sich nicht in eine lebensdienliche, sondern nur in eine destruktive Richtung ändern.
Ich habe die längste Zeit meines Lebens in genau dieser Spaltung gelebt: Mich intensiv mit Trauma als Realität im Körper beschäftigt, aber in Bezug auf mein eigenes bin ich unabsichtlich in den Kopf geflüchtet und emotional drüber gestanden. Weil ich gar nicht wusste, wie sich echte Gefühle anfühlen. Das hatte mir mein Körper in seiner großen Liebe erspart.
Ein wichtiger Teil MEINER Biografie und therapeutischen Prägung ist das Aufspüren vererbter Traumatisierungen - IM DETAIL. Es in Blicken, winzigen Bewegungen oder Nichtbewegungen, dem Anhalten des Atems in bestimmten Momenten o.ä. zu erkennen, es ans Licht zu holen, zugänglich und veränderbar zu machen. Was von dort aus gar nicht so schwer ist.
Ich habe es am eigenen Leib erlebt und erst spät verstanden, dass ich in zwei Zeiten lebte. Im Krieg und im Frieden. Und dass der unbemerkte Kriegsteil so lange massive Auswirkungen auf mein Leben hatte, solange ich ihn nicht SPÜREN konnte.
Wir hier in Deutschland tragen ein besonders schweres Erbe von Spaltung in uns. Wir haben uns gesellschaftlich dazu verbannt, Täter zu sein - und uns damit den Kontakt mit dem Opfersein unendlich erschwert.
Erst die lange Friedenszeit hat uns in die luxuriöse Lage versetzt, das Leiden unserer Eltern und Großeltern IN UNS zu FÜHLEN. Ich wünsche mir zutiefst, dass wir uns als Menschheit diesen Dingen mit Interesse und liebevoller Priorität zuwenden - denn die Zeit läuft uns davon.
Es deutet sich an, dass in der Zukunft sich aufgrund der Klimakatastrophe und ihren Folgen immer stärkere Konkurrenz in Bezug auf Ressourcen und damit einhergehend Neid, Hass und immer mehr Kriege einstellen werden…- WENN WIR NICHT DIE INTEGRATION AUF MIKROEBENE SCHAFFEN.
Die Chancen stehen finde ich ganz gut, weil es nie so schwer zu leugnen war wie in dieser Zeit, dass es nicht lebensdienlich war, wie wir kollektiv gelebt und konsequent den Schmerz in Form vielfältiger Ablenkungen und Süchte betäubt haben. Durch Ausbeutung von uns selbst und anderen. Auf Kosten der Natur, unserer Lebensgrundlage.
Jetzt aber der Kern meiner Worte: Ich nehme deutlich wahr, wie sich in spirituellen Kreisen über eine Idealisierung des Geistes und Verleugnung körperlicher Realität eine extrem überhebliche Aura „höheren Wissens“ ausbreitet, die atmosphärische Ähnlichkeiten mit dem einstigen so fatalen Herrenmenschengefühl (quasi per Geburtsrecht wissend und im Recht) aufweist.
Ich habe neulich (als ein sehr markantes Beispiel) ein extrem erfolgreiches spirituelles Paar entdeckt, das in einem Onlinekongress (also als deklariertes Vorbild) über ihre Geschichte und ihr Leben sprach.
Ich habe dieses innere Schillern in mir gespürt zwischen Faszination angesichts deren zweifel-los strahlendem Auftreten und in größerer Tiefe ein sehr, sehr leises kaum merkliches Grauen unter ihren Worten, die alle irgendwie „spirituell korrekt“ waren. Als wäre alles Schädliche aus ihrem Leben ausgemerzt. Dafür gab es zahlreiche konkrete Beispiele darin, wie sie über „richtige Lebensführung“ sprachen, die mich stark an arische Lebensführung erinnerten.
Wie alles andere betrachte ich das nicht als schuldhaftes Vergehen, sondern als natürliche Fortsetzung der emotionalen Verleugnung der Tatsache, wie tief wir Menschen von Gewalt, Gehorsamsforderung und Herrenmenschengefühl durchdrungen und unbewusst gelenkt sind, solange wir diese Spaltung nicht erkennen und uns ihr liebevoll widmen.
Gar nicht so leicht, denn unsere auf diese Weise tief verankerte Bereitschaft zur Selbstbeschuldigung („wenn etwas bei mir nicht läuft, bin ich selbst schuld, weil ich nicht genug an meinen Schatten gearbeitet habe“) macht die liebevolle Zuwendung, das Ja zu dem, was wir auch verleugnen könnten, zu einem Muss, gegen das ein innerer Widerstand entsteht.
Auch wenn es so so verständlich ist, dass wir alle möglichen Wege suchen, dran vorbei zu kommen. Es IST nicht leicht, uns für unser menschliches Angewiesensein auf andere zu öffnen. Herrenmenschen lassen das immer nur die anderen spüren.
Ich glaube, wir brauchen eine Bereitschaft dafür, uns für unser Nichtwissen zu interessieren, und am Beispiel von Spiritualität und Wissenschaft eine Lust, in ein gleichwürdiges und vor allem offenes und interessiertes Gespräch UNTER der wissenden Oberfläche zu kommen.
Was unsere eigenen verleugneten und abgespaltenen Traumata angeht, brauchen wir die spürbare Erfahrung durch andere Menschen, dass die Berührung mit ihnen die Tür zu einer fundierten und nachhaltigen Aneignung unserer Bedeutsamkeit und Würde öffnet.
DIE MIT KLEINTEILIGER EMOTIONALER WÜRDIGUNG UNSERES EIGENEN GEWORDENSEINS UND TIEFEN BETROFFENSEINS BEGINNT.
Genau an dieser Stelle forsche ich gerade ganz intensiv. Darum mache ich mich auch gerade etwas rar hier. Für mich. Für dich. Für uns alle.
Ich freue mich und danke dir, wenn du mit mir darüber in den Austausch gehst!
Liebste demütige Grüße - 🤗🥰💞🍀✨
Deine Christina