29/03/2024
Ist mein Kind traumatisiert?
Mit dieser Sorge treten immer wieder Eltern an mich heran. An der Stelle möchte ich dich erstmal entlasten. Denn letztlich geht es nicht darum ein Label oder eine Diagnose auszusprechen. Es geht darum, wie es deinem Kind geht und ob sein Nervensystem in der Lage ist zu schwingen oder ob es irgendwo steckenbleibt. Letzteres kann sich z.B. durch Verhaltensweisen bemerkbar machen, durch Gefühle (oder Gefühlsausbrüche) oder Symptome.
Ob der natürliche Fluss des Nervensystems zwischen Aktivierung und Regulation unterbrochen ist durch ein traumatisches Erlebnis oder dauerhaften Streß, ob er unterbrochen ist durch andere Herausforderungen oder Besonderheiten, wie beispielsweise Hochsensibilität oder Neurodivergenz spielt in meiner Arbeit dabei eine untergeordnete Rolle.
Wir sehen es ist aus dem Gleichgewicht oder nicht in der Lage von selbst wieder dorthin zurückzukehreren. Es gibt vielleicht bestimmte Trigger oder Auslöser, die es schwieriger machen, was bei Trauma genauso Thema ist wie z.B. bei Menschen, deren Wahrnehmungskanäle sensibler arbeiten als andere, die hochsensibel, gefühlsstark sind oder bei Menschen mit ADHS oder im Autismus Spektrum.
Das Ziel ist es zu erkennen, was das System deines Kindes - oder auch dein eigenes System - braucht, um wieder in einen normalen Fluss zurückzukehren oder auch zu lernen, wie es sich selbst (wieder) regulieren kann.
Es geht also nicht darum zu erforschen, ob dein Kind durch die lebensrettende Trennung nach der Geburt, eine ungute Eingewöhnung in der Kita oder andere stressvolle Ereignisse traumatisiert ist. Es geht darum zu erforschen, wie das Nervensystem deines Kindes jetzt und heute arbeitet - jetzt mit diesen Erfahrungen und Erlebnissen im Hintergrund - und dann daran zu arbeiten, dass es mehr von dem bekommt, was ihm hilft sich wieder zu regulieren. Denn das ist es, was ihm für die Zukunft hilfreich sein wird. Wir brauchen nicht das Wort Trauma dafür benutzen, das mitunter viel zu große Angst macht und verhindert, dass wir daran glauben können, dass unser System in der Lage ist zu "heilen"/ regulieren und dazuzulernen.
Du kannst die Frage, ob dein Kind traumatisiert ist natürlich trotzdem stellen. Doch viel zu oft schwingt bei dieser Frage zuviel Schuld mit. Deshalb lautet auch mein erster Satz, dass ich dich entlasten möchte. Denn, das was häufig auftaucht sind die Schuldgefühle der Eltern, die befürchten ihr Kind vielleicht nicht ausreichend geschützt zu haben. Die in Situationen, in denen es vielleicht nicht anders möglich war das Beste getan haben, was unter den Bedingungen möglich war, zb bei Trennungssituationen.
An der Stelle möchte ich deshalb ganz deutlich sagen. Es geht nicht um Schuld. Und so hart es auch klingt Schuldgefühle helfen weder dir noch deinem Kind weiter. Du kannst die Frage "ist mein Kind traumatisiert" gerne stellen. Doch wenn du merkst, dass es dabei auch um dich geht und darum, dass du das Gefühl hast, nicht gut genug dagewesen zu sein, etwas nicht verhindert zu haben oder selbst überrumpelt warst ist es hilfreicher, wenn wir uns erst deine Situation ansehen und deinem Nervensystem helfen, dass dann vielleicht in diesen Gefühlen von Schuld oder Scham gefangen ist oder selbst in der Situation steckengeblieben ist, um die es möglicherweise geht. Nicht selten verändert es auch bei unseren Kindern total viel, wenn wir Eltern uns unseren Themen bewusst werden uns sie aufarbeiten.