03/01/2024
„Bitte missverstehe mich nicht. Ich habe gesagt: „Drück deine negativen Gefühle aus.“ Ich habe nicht gesagt: „öffentlich“. So werden die Dinge oft verzerrt.
Wenn du auf jemanden wütend bist und deine Wut zum Ausdruck bringst, wird der andere nicht still sitzen bleiben wie ein Buddha. Er ist keine Marmorstatue; er wird auch etwas tun. Du drückst deine Wut aus, er drückt seine Wut aus.
Das macht dich noch wütender. Wut oder Gewalt erzeugen auf der anderen Seite dasselbe, und es wird mit doppelter Münze heimgezahlt. Und dann gehst du noch mehr darauf ein, weil man dir sagte, du sollst es ausdrücken.
Ja, ich habe gesagt, „drück es aus“ – aber ich meine nicht „öffentlich“.
Wenn du wütend bist, geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu. Schlag ein Kissen, stell dich vor den Spiegel und schrei dein Spiegelbild an. Sag alles, was du noch nie zu jemandem gesagt hast und schon immer sagen wolltest. Aber es muss deine Privatsache bleiben, sonst nimmt es kein Ende. Die Dinge bewegen sich immer im Kreis, und wir wollen sie nun zu Ende bringen.
Wenn du also negative Gefühle gegenüber jemandem hast, hat es mit dieser Person überhaupt nichts zu tun. Du hast eine bestimmte Menge Wut in dir. Diese Wut muss ins Universum entlassen werden, du darfst sie nicht in dir unterdrücken.
Wenn ich sage: „Drück es aus“, dann meine ich immer privat, dann, wenn du alleine bist. Es ist eine Meditation, es ist kein Kampf. Wenn du traurig bist, setz dich in dein Zimmer und fühl dich so traurig wie du kannst – das verletzt niemanden. Sei richtig traurig und beobachte, wie lange es anhält. Nichts bleibt für immer, bald wird es vorüber sein. Wenn du dich nach weinen fühlst, weine – aber nur privat.
Diese Dinge haben mit anderen nichts zu tun. Es ist nur dein Problem, warum sollte man das öffentlich machen? Und wenn man es macht, hilft das gar nichts, im Gegenteil, die Probleme werden vergrößert. Setz dich jeden Abend, bevor du schlafen gehst, eine Stunde lang auf dein Bett und mach all die verrückten Sachen, die du machen wolltest, die die Leute machen, wenn sie wütend sind, gewalttätig, zerstörerisch. Das bedeutet nicht, dass du kostbare Dinge zerstören musst; du brauchst nur Papier in kleine Schnitzel zerreißen und sie überall rumschmeißen, dann weißt du Bescheid. Und das ist auch genug.
Zerstöre irgendetwas, das kann etwas völlig Wertloses sein – aber mach das, wenn du allein bist, du wirst hinterher ganz erfrischt sein.
Wenn du öffentlich etwas machen möchtest, dann mach das, was ich dir über diese Eingeborenen erzählt habe. Du kannst zu der Person gehen, über die du wütend warst und ihr sagen: „Ich war wütend auf dich, und als ich allein war, habe ich dich angeschrien, ich habe dich beschimpft und dir hässliche Dinge an den Kopf geworfen, bitte verzeih mir. Ich habe das gemacht, als ich allein war, denn es war mein Problem, es hat nichts mit dir zu tun. Aber es war auf eine Art doch an dich gerichtet und du weißt nichts davon, deshalb muss ich mich bei dir entschuldigen.“
Das muss man öffentlich machen. Und damit können Menschen einander helfen. Diese Person wird nicht wütend sein, sie wird sagen: „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, du hast mir nichts getan. Und wenn du dich jetzt gereinigt fühlst, dann war das eine gute Übung.“
Also bring deine Negativität, deine Hässlichkeiten nicht in die Öffentlichkeit, sonst schaffst du große Probleme, wo du kleine lösen willst. Sei wirklich sehr vorsichtig. Alles Negative sollte in deiner Privatsphäre bleiben, wenn du allein bist. Und wenn du darüber reden möchtest – vielleicht hast du voller Hass an jemanden gedacht, vielleicht wolltest du ihn töten, als du dein Papier zerrissen hast – geh zu ihm und bitte ihn demütig um Vergebung.
Und hier kannst du den Unterschied zwischen mir und den sogenannten westlichen Therapien sehen, sie haben keine – ihre Befreiung ist nur vorübergehend.
Du musst ein für alle mal verstehen, dass jedes Problem dein eigenes ist, deshalb musst du es auch lösen, wenn du allein bist.
Wasch deine schmutzige Wäsche nicht in der Öffentlichkeit. Das ist nicht nötig. Warum solltest du unnötig andere Menschen da hinein ziehen? Warum solltest du dich unnötig als hässlich darstellen?
Da fällt mir eine merkwürdige Geschichte ein. Es war auf einer großen Konferenz – einer Weltkonferenz von Psychologen, Psychoanalytikern, Therapeuten und sämtlichen Schulen, die den menschlichen Geist behandeln. Ein großer Analytiker las aus einem Papier vor, aber er konnte nicht lesen, denn seine Aufmerksamkeit wurde ständig von einer jungen Frau abgelenkt, die in der ersten Reihe direkt vor ihm saß. Neben ihr saß ein alter, hässlicher Kerl, der spielte mit ihren Brüsten. Und ihr machte das gar nichts aus.
Er konnte sein Papier nicht vortragen. Er versuchte, diese Frau und den alten Mann hinter seinem Papier zu verstecken, aber er vergaß, in welcher Zeile er war und verhaspelte sich so, dass er schließlich sagte: „Es ist unmöglich.“
Die Konferenz konnte nicht verstehen, was so unmöglich war und warum er sich so merkwürdig benahm. Er war nie....er ist eigentlich ein systematischer Denker, aber heute redet er lauter Unsinn. Er liest einen halben Satz und dann einen anderen, der nicht dazu passt, dann kommt eine andere Seite und jetzt sagt er: „Es ist alles verdorben, ich kann nicht...“
Und er konnte die Frau, die genau vor ihm saß, nicht ansehen. Da stand jemand auf und sagte: „Was ist los? Warum machen Sie sich zum Narren?“
„Ich mache mich nicht zum Narren,“ sagte er, „diese junge Dame rührt sich nicht und der alte Kerl spielt mit ihren Brüsten!“
Die junge Frau sagte: „Aber das ist nicht Ihr Problem. Sie sollten Ihr Papier vortragen. Selbst für mich ist es kein Problem, es ist sein Problem, warum sollte ich darüber beunruhigt sein?
Er hat seine Sexualität unterdrückt, vielleicht ist er nicht lange genug gestillt worden, und er ist selbst im Alter immer noch...er muss schon achtzig sein. Er tut mir nichts Schlimmes an. Es ist nicht mein Problem, warum sollte ich ihn hindern? Und es ist auch nicht Ihr Problem, warum lassen Sie sich stören? Es ist allein sein Problem, er sollte sich analysieren lassen – dabei ist er selbst ein großer Analytiker. Tatsächlich ist er mein Lehrer.“
Um sagen zu können: „Was er macht, ist nicht mein Problem,“ muss sie eine gut integrierte Persönlichkeit haben, eine klare Vision davon, dass es sein Problem ist, selbst wenn er etwas mit ihr anstellt.
„Warum sollte ich mich gestört fühlen,“ fuhr sie fort, „es sieht so aus, als leide der arme Kerl seit seiner Kindheit und hätte nie eine Gelegenheit bekommen – und jetzt ist er schon halb tot. Wenn ich ihm etwas Befriedigung geben kann, dann ist das nichts Schlimmes. Es macht mir überhaupt nichts – aber ich wundere mich, dass Sie Ihr Papier nicht vortragen können. Es scheint, dass Sie hinter diesem alten Mann stehen, Sie scheinen dasselbe Problem zu haben.“
Und das war tatsächlich so. Der Mann hatte dasselbe Problem, denn sonst hätte er sich nicht so aufzuregen brauchen. Er hätte sein Papier vorgetragen und den alten Mann gewähren lassen; und wenn die junge Frau ihn nicht daran hindert, ihn gar nicht beachtet, braucht ihn das nicht zu kümmern.
Wenn die Menschen ihre Probleme für sich behalten können und sie nicht überall verstreuen...denn dadurch werden sie nur größer.
Dieser alte Mann braucht einfach eine Babyflasche, aus der er in der Nacht warme Milch nuckeln und sie genießen kann. Und im Dunkeln ist es egal, ob es eine Brustwarze oder ein Gumminuckel ist. Alles was er braucht, ist jede Nacht eine Babyflasche, damit er friedlich und ohne Probleme sterben kann. Aber er zieht eine arme Frau mit hinein, die nichts damit zu tun hat.
Und nicht nur das, jemand, der völlig außerhalb steht, ist verstört, weil er dasselbe Problem hat.
Behalte deine privaten Probleme einfach für dich. Gruppentherapien helfen nicht so sehr, denn du kannst in der Gesellschaft gar nicht anwenden, was du in der Gruppe machst. Und die Gruppe kann nicht zu deinem ganzen Leben werden, außerhalb der Gruppe hast du wieder dieselben Probleme.
Was ich dir gebe ist eine einfache Methode, die du leicht allein machen kannst. Entrümple dein Unterbewusstsein und komm dann in der Außenwelt mit anderen Menschen zusammen – dann ist dein Gesicht sanfter, deine Augen sind klarer und dein Verhalten ist menschlicher.”
Aus:
Osho, Transmission of the Lamp