08/05/2025
++ Das Kriegsende aus der Perspektive der deutschen Bevölkerung ++
(Abb. Blick auf die Lennebrücke und das Schloss Hohenlimburg, sogenannter Heidelbergblick, Bildpostkarte, gestempelt 1937. Am rechten Bildrand das Hotel und Gasthaus „Bentheimer Hof“. Im April und Mai 1945 diente das Gebäude der für Besatzungsaufgaben in Hohenlimburg stationierten Anti-Tank Company des 290th US Infantry Regiment als Command Post und Unterkunft)
Der in Hohenlimburg lebende Volksschullehrer Walter Sönnecken (1894-1957) blickte im Juli 1945 auf die zurückliegenden fünf Monate zurück. Er war kein Mitglied der NSDAP, gehörte allerdings dem NS-Lehrerbund an und nahm an Sportveranstaltungen der SA teil. In seinen Aufzeichnungen fasste Sönnecken die Situation in der Kleinstadt an der Lenne in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs wie folgt zusammen:
„Hohenlimburg zählte etwa das Doppelte seiner Friedenseinwohnerzahl, ca. 35000 Menschen. Dazu kamen 5000 Fremdarbeiter. (...) Immer häufiger wurden Stimmen laut, die das Ende des Krieges herbeiwünschten. Aus der früher notwendigerweise geübten Zurückhaltung herausgehend, hörte ich jetzt öfter die Bemerkung, wenn doch die Amerikaner erst hier wären! Die Parteidienststellen wurden nervös. Parteiakten und Mitgliederkarteien wurden von ihnen vernichtet. Listen wurden aufgestellt über Parteigegner, die bei negativem Ausgang des Krieges noch vorher liquidiert werden sollten. (...) Endlose Auto- und Fuhrwerkskolonnen, Geschütze mit ihren Bedienungen, Soldaten aller Waffengattungen durchzogen unsere Straßen in der Hauptsache ostwärts, oft ein Durcheinander bildend, da andere wieder entgegen zogen oder auch durch die Stadt in die Nahmer ihren Weg nahmen. Volkssturm, nur zum geringsten Teil soldatisch gekleidet und bewaffnet, zu Fuß und mit Fahrrädern vervollständigten das bunte Bild, das eine einheitliche Planung und Kommandierung vermissen ließ, äußerlich auch dem Laien die Gewißheit der Auflösung der deutschen Armee sichtbar machend.“
Die letzten Kämpfe und die Besetzung der Stadt schilderte der Volksschullehrer und Kriegsteilnehmer 1914-1918 aus der Distanz eines Betrachters, teilweise in einem fiktiven Zwiegespräch mit dem Staatsgebilde. Der Bericht von Walter Sönnecken zeigt, dass mit dem Kriegsende und der Kapitulation auch die Aufarbeitung der NS-Herrschaft u. a. auf einer persönlichen Ebene begonnen hatte.
„5 Jahre, 8 Monate und 8 Tage hat der 2. Weltkrieg gedauert. Armes, vom Kriege so zerstörtes Deutschland! Frevelhafter Ehrgeiz nationalsozialistischer und militaristischer Führer hat Dir trotz Deiner unbeschreiblichen Opfer nur unsägliche Leiden gebracht. Die Verschwörer, die Dein Unglück auf dem Gewissen haben, haben sich feige aus dem Leben gestohlen und sich dadurch der Verantwortung entzogen oder sich in die Hände der Alliierten gegeben. Der Krieg ist aus. Deutschland ist im Felde besiegt (...) Nicht mehr rötet sich allabendlich der Himmel durch Riesenbrände, verursacht durch den Bombenregen der englischen und amerikanischen Bombengeschwader. Trotzdem können unsere Nerven lange noch nicht zur Ruhe kommen. (...) Deutsche Kinder bekamen erstmalig oder nach langer Zeit wieder Apfelsinen und Schokolade zu sehen und zu kosten. (...)“.
(Quelle: Walter Sönnecken; Das vorzeitige Ende des Tausendjährigen Reiches vom Blickpunkt unserer Heimatstadt Hohenlimburg aus gesehen, Mskr., o.D. [Juli 1945], S. 7; StadtA Hagen, Best. Hohenlimburg, Nr. 2522. Das Manuskript diente zehn Jahre später als Grundlage für einen inhaltlich veränderten und mit mehreren Zeitzeugenberichten versehenen Aufsatz in den örtlichen Hohenlimburger Heimatblättern, vgl. Sönnecken, Walter: Das Kriegsende und die erste Nachkriegszeit. Vom Blickpunkt unserer Heimatstadt aus gesehen, in: Hohenlimburger Heimatblätter 16 (1955), T. 1-3,S. 54-59, S. 66-71, S. 91-92)
RBL, Mai 2025 (c) Stadtarchiv Hagen