
04/01/2024
Welthypnosetag! Es gibt noch viel zu tun!
Heute ist 🧠
aka "Hypnose-Missverständnisse-Ausräumungs-Tag", denn Hypnose ist bis heute eine Quelle der Faszination, aber auch von Irritationen und großer Skepsis.
Falsche Auffassungen der therapeutischen Hypnose sind weit verbreitet.
Krankenkassen akzeptieren Hypnosetherapie noch immer nicht als gängige oder wirksame Methode - auf Grund von Berührungsängsten und vermeintlichen Reputationsrisiken.
In den schulmedizinischen und akademischen Kreisen wird sie des Weiteren häufig als Tabu,
Esoterik und unwissenschaftlich angesehen.
Dies, obwohl klinische Studien gute Evidenz für die Wirksamkeit der Hypnose bei einer großen Bandbreite von Krankheitsbildern zeigen wie z.B. Reizdarmsyndrom, akute/chronische Schmerzen, Ängste und Phobien, Depressionen,
posttraumatische Belastungsstörungen, dermatologische Beschwerden und Asthma.
Einer der gewichtigsten Gründe für die Skepsis gegenüber der Hypnose im akademischen
Umfeld liegt am mangelnden Verständnis über deren Wirkmechanismen. Denn trotz einer
Vielzahl an – seit den 90er Jahren bis heute – durchgeführten Grundlagenstudien, besteht
weiterhin kein Konsens betreffend der neurophysiologischen und neuropsychologischen Wirkmechanismen. Ein aktuelles und sehr umfangreiches Review fasst dieses Faktum treffend zusammen:
“Trotz der wachsenden Zahl von Neuroimaging-Studien, die Hypnose untersuchen, gibt es wenig Konsens über die neuronalen Mechanismen und (zu) viel Inkonsistenz zwischen den Ergebnissen. Die Vielschichtigkeit der Hypnose, kombiniert mit dem Mangel an kohärenten methodischen Standards in diesem Bereich, dürfte diese Heterogenität der Ergebnisse erklären.”
Aufgrund dieser diametralen Datenlage bleibt weiterhin die essenzielle Frage ungeklärt, inwiefern es sich bei der Hypnose um einen veränderten neurophysiologischen (Bewusstseins-)Zustand
handelt. Dazu bestehen bis heute hitzige und emotionale Debatten zwischen den verschiedenen Lagern. Von “Hypnosetherapie bedingt einen bestimmten Trancezustand” bis zu “Hypnotischen Trancezustand gibt es nicht und Suggestionen im Wachzustand sind ausreichend” existiert eine große Bandbreite an Konzepten.
Die dargelegte Problematik der Hypnose-Grundlagenforschung kann größtenteils auf vier
hauptsächliche Aspekte reduziert werden:
• Hohe Heterogenität in Bezug auf die verwendeten Hypnosemethoden
• Unterschiedliche oder unzureichende Definition des Hypnosezustands
• Lediglich unimodale Untersuchungsmethoden
• Unzureichende Stichprobenzahlen
Vor dem Hintergrund dieser unbefriedigenden Studienlage kann die Ende Dezember 2023 veröffentlichte erste Studie eines neuen großangelegten Forschungsprojekts nicht hoch genug gewichtet werden:
„Investigating functional brain connectivity patterns associated with two hypnotic states“: erstmals zwei unterschiedliche Hypnosezustände sichtbar gemacht
Hypnosis International hat 2018 das Projekt HypnoScience®lanciert, das darauf abzielt, die Hypnose in der Gesellschaft und in der Medizin besser zu verankern.
In einem Kooperationsprojekt mit der Universität Zürich wurde unter anderem das Forschungsprojekt „multimodal investigation of distinct hypnotic states“ gestartet.
Das nun veröffentlichte fMRI (Funktionelle Magnetresonanztomographie) Paper zur ersten von drei Studien „Investigating functional brain connectivity patterns associated with two hypnotic states“ liefert robuste und erstaunliche Ergebnisse wie das Gehirn mit Hypnose "umgeht".
Zwei unterschiedliche Hypnosezustände sichtbar gemacht
Die Studie, durchgeführt mit 50 gesunden und hypnoseerprobten Probanden, demonstriert, dass Hypnose zu spezifischen Veränderungen in der funktionalen Konnektivität des Gehirns führt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Hypnose im Hirn nicht nur sichtbar und messbar ist, sondern deuten auch darauf hin, dass mindestens zwei unterschiedliche Hypnose-Zustände existieren - und -Zustand.
Dies wird in der Wissenschaft kontrovers diskutiert und somit erweitern die Resultate unser Verständnis von Hypnose erheblich. Zudem besteht generell wenig Konsens über die neuronalen Mechanismen der Hypnose - auch hier leistet die Studie einen wertvollen Beitrag und trägt zu der Diskussion bei, welche Hirnareale beteiligt sein könnten, wenn eine Person hypnotisiert ist.
Standardisierte Hypnoseinduktionen
Zur Messung der beiden Zustände wurden die OMNI-Hypnoseinduktionen, die auf den Hypnoseeinleitungen von Dave Elman & Gerald Kein basieren, verwendet. Diese Methoden sind exakt standardisiert und von jedermann reproduzierbar, es sind diejenigen Verfahren, die auch bei Hypnos® in der großen Mehrzahl der Behandlungen verwendet werden.
Alle Probanden wurden mit den exakt gleichen Worten hypnotisiert. Die exakte Standardisierung erlaubte es den Forschern überdies neben den zwei Hypnosezuständen unter Verwendung eines standardisierten Kontrolltextes auch entsprechende Kontroll-Zustände zu messen und diese miteinander zu vergleichen. Dies unterstreicht die Bedeutung standardisierter Verfahren in der wissenschaftlichen Erforschung von Hypnose.
Ähnlichkeiten zu und *D
Interessanterweise zeigten die Probanden im Somnambulismus in einigen Gehirnarealen ähnliche Muster wie Personen, bei denen mittels Propofol eine Narkose eingeleitet wird.
In Hypnose ist man jedoch jederzeit bei vollem Bewusstsein, die Zustände sind somit nicht vergleichbar. Propofol wird eine entspannende und euphorisierende Wirkung zugeschrieben, eine Wahrnehmung, die man in Hypnose ebenfalls oft erlebt.
Im Esdaile-Zustand berichteten die Probanden oft über veränderte Körperwahrnehmung oder über eine komplette „Entkoppelung“ vom Körper. Offenbar gehen diese Wahrnehmungen mit modifizierten Kopplungsmechanismen der kortikalen somatosensorischen Integrationssystemen im Hirn einher, wie man sie häufig bei durch L*D (und anderen Drogen) induzierten Bewusstseinszuständen vorfindet. Die Autoren weisen darauf hin, dass weitere Untersuchungen nötig sind, um diese Hypothese zu festigen.
Begriffserläuterungen
1) Somnambulismus:
Ein tiefer Zustand der Hypnose, welcher Voraussetzung für moderne und aufdeckende Hypnosetherapie ("Regression to Cause") ist, sowie schmerzreduziertes Empfinden (Hypnoanalgesie) ermöglicht, wie z. B. bei Zahnbehandlungen oder Geburten.
2) Esdaile-Zustand:
Ein extrem tiefer Zustand der Hypnose in dem sich eine mentale Euphorie erleben lässt und sich, nebst einigen noch unerforschten und hoch spannenden Effekten, nach unseren Erfahrungen automatisch eine komplette Schmerzfreiheit (Hypnoanästhesie) einstellt. Der Esdaile-Zustand kann bei der Behandlung von Burnout-Klienten, im Schmerzmanagement und zur Tiefenerholung eingesetzt werden. Zudem sind große operative Eingriffe ohne den Einsatz von Schmerzmedikation oder Narkose möglich.
Die Studie wurde bei Frontiers publiziert. Link zum Download der Studie: https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnhum.2023.1286336/full
Weitere Publikationen in Vorbereitung
Die Forschungsarbeit ist mit der vorliegenden Publikation noch nicht beendet. Die EEG-Studie wurde bei CORTEX eingereicht und ist als Preprint einsehbar:
https://osf.io/preprints/psyarxiv/74sq3.
Die MRS-Studie (Magnetresonanzspektroskopie), basierend auf den Ergebnissen aus der fMRI-Studie, ist bereits fertig ausgewertet, das Manuskript dazu wird in Kürze vorliegen,
wir werden erneut darüber berichten.
Wir sind dankbar und stolz ob dieses wegweisenden Fortschritts in der unabhängigen Hypnoseforschung!