01/08/2025
Offener Brief an die Apothekerkammer Hessen und den Landesapothekerverband Hessen
Für mehr Aufklärung, Schutz vor Diskriminierung und echte Repräsentation
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitglieder der Kammer und des Verbands,
als kurdisch-syrischer Apotheker in Hessen bin ich täglich mit den Herausforderungen unseres Gesundheitssystems konfrontiert – insbesondere mit den Folgen der Rabattverträge der Krankenkassen. Diese Regelungen bedeuten für uns Apothekenpersonal nicht nur einen erheblichen logistischen Mehraufwand, sondern bringen auch finanzielle und rechtliche Risiken mit sich: Wir leisten in Vorleistung und haften, wenn bei der Umsetzung Unstimmigkeiten auftreten. Gleichzeitig fehlt uns im stressigen Alltag oft die Zeit, Patientinnen und Patienten die komplexen Hintergründe dieser Verträge verständlich zu erklären.
Neben diesen strukturellen Belastungen gibt es jedoch ein weiteres, tiefgreifendes Problem, das viel zu selten offen angesprochen wird: Diskriminierung im Apothekenalltag.
Viele Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund – darunter zahlreiche syrische, kurdische und türkische Apotheker:innen – erleben immer wieder rassistische Bemerkungen, abwertendes Verhalten und persönliche Angriffe. Dass solche Anfeindungen in einem Beruf stattfinden, der auf Vertrauen, Fachwissen und Menschlichkeit basiert, ist nicht nur erschütternd, sondern schlicht nicht hinnehmbar.
Besonders problematisch ist, dass die Frustration mancher Patient:innen über die Rabattverträge und Lieferengpässe häufig am Apothekenpersonal ausgelassen wird. Wer dann noch einen ausländischen Namen oder ein anderes äußeres Erscheinungsbild hat, sieht sich nicht selten mit Fremdenfeindlichkeit oder offener Ablehnung konfrontiert.
Deshalb richten wir folgende Forderungen an die Apothekerkammer Hessen und den Landesapothekerverband Hessen:
1. Klare Aufklärung der Patient:innen über Rabattverträge und Lieferengpässe
Bitte setzen Sie sich verstärkt für eine verständliche und flächendeckende Aufklärung über die Hintergründe und Auswirkungen der Rabattverträge ein. Dies kann Missverständnisse reduzieren, Konflikte im Apothekenalltag entschärfen und das Vertrauen in unsere Arbeit stärken.
2. Schutzmaßnahmen gegen Diskriminierung und rassistische Angriffe
Es braucht konkrete Maßnahmen, um Apotheker:innen mit Migrationshintergrund besser zu schützen. Dazu gehören:
gezielte Sensibilisierungs- und Informationskampagnen für die Öffentlichkeit,
benennbare Ansprechpersonen bei Kammer und Verband für betroffene Kolleg:innen,
der Ausbau von rechtlichen, psychologischen und kollegialen Unterstützungsangeboten.
3. Echte Repräsentation von Kolleg:innen mit Migrationsgeschichte
Apotheker:innen mit syrischem, kurdischem, türkischem oder anderem internationalen Hintergrund machen einen bedeutenden Teil der Apothekenlandschaft in Hessen und ganz Deutschland aus. Wir möchten nicht nur „mitgemeint“ sein, sondern aktiv mitgestalten – auf Augenhöhe.
Es kann nicht sein, dass ausschließlich Menschen ohne eigene Migrationsgeschichte über unsere Belange sprechen oder für uns entscheiden. Deshalb fordern wir:
mehr Vielfalt in den Gremien von Kammer und Verband,
gezielte Förderung von Kolleg:innen mit internationaler Herkunft für Wahlämter,
und ggf. die Einrichtung eines Beirats für Vielfalt, Integration und Antidiskriminierung.
Unsere tägliche Arbeit verdient Respekt – unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe. Nur gemeinsam können wir ein starkes Zeichen für Zusammenhalt, Anerkennung und Gerechtigkeit setzen – in unseren Apotheken, in den beruflichen Gremien und in der gesamten Gesellschaft.
Wir syrischen Apotheker:innen gehören zu den größten Gruppen unter den ausländischen Fachkräften in deutschen Apotheken. Wir arbeiten mit Leidenschaft, Verantwortung und Kompetenz – und wir fordern die Anerkennung und Mitsprache, die uns zusteht.
Lasst uns gemeinsam für ein respektvolles Miteinander einstehen. 💪
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Jatto