31/03/2023
Fallbeispiel - Pferd lässt manuelle Behandlung nicht zu
Die Stute hatte nach einer Zahnbehandlung auch nach Tagen noch Beschwerden links im Bereich des Atlasflügels und der umgebenden Muskulatur, sowie des Kiefergelenks. Begünstigt wurde das Problem durch das immer gleichgerichtete Zupfen aus einem an der Wand befestigten Heunetz und der durch die Zahnbehandlung leicht veränderten Kaubewegung. Auf der gleichen Seite hat das Pferd in der Vorderhand einen chronischen Sehnenschaden, der aktuell keine Probleme macht.
Palpieren, also mit den Händen untersuchen, oder gar massieren der Genickregion war auf der linken Seite nicht möglich, selbst ein Handauflegen war nur kurz oder gar nicht möglich.
Wie hilft man einem solchen Pferd?
Zuerst einmal ist der vorhandene Sehnenschaden ein wichtiger Grund das Problem schnell zu lösen, denn Problematiken in Kiefergelenk und Nacken können Auswirkungen bis in der Gliedmaßen haben. Über die Wirkungsketten wird die Belastungsrichtung in den unteren Gelenken verändert und kann zu Überlastungen, zur Kompensation und schlussendlich zum Schaden führen. In diesem Fall könnte es wieder zu akuten Beschwerden an der angeschlagenen Sehne führen. (Tipp: Im Buch „Zusammenhänge im Pferd“ beschreibt Julie von Bismarck diese und weitere Zusammenhänge sehr ausführlich)
Soweit dazu. Wie habe ich die Behandlung aufgebaut?
Zunächst einmal habe ich mich in der ersten Behandlung nach der allgemeinen Untersuchung des Gesamtzustandes entlang der Wirkungsketten von hinten immer näher an das eigentliche Problem herangearbeitet, dabei wurde auch die „gute“ Seite mit einbezogen und mit vorsichtigem Dehnen und Mobilisieren gearbeitet.
Da ich nicht direkt an die Problemstelle gekommen bin, habe ich mich zunächst der Magnetfeldtherapie bedient. Das Pferd kennt es mit dem Strick um den Hals geführt zu werden, darauf habe ich aufgebaut. Ich habe die kleine Applikationsmatte verwendet und mit einer weichen Baumwollbinde am Hals fixiert. Ich habe sie dabei nicht festgebunden, sondern die Binde in der Hand gehalten. Zum Einen aus Sicherheitsgründen, zum Anderen um in der Behandlung die Lage der Matte verändern zu können. Behandelt wurde im niedrigen Frequenzbereich mit hoher Intensität für 15 Minuten, das wirkt krampflösend und schmerzlindernd. Da das Magentfeld über die Matte hinaus wirkt, musste ich diese nicht direkt auf dem Behandlungsfeld platzieren, konnte dem Pferd unnötigen Stress ersparen und das gewünschte Gebiet trotzdem erreichen.
Nach 10 Minuten konnte das Pferd die starke Verspannung in dem Bereich mit herzhaftem Gähnen und großen Kieferbewegungen lösen.
Ich durfte dann auch palpieren und mir ein direktes Bild des Zustandes des Gewebes machen. Zur Verlängerung der Wirkung wurden noch Crosstapes geklebt und eine Nachbehandlung vereinbart.
3 Tage später fand die Nachbehandlung statt, bei der ich nun mit verschiedenen manuellen Techniken auch im vorher nicht tolerierten Bereich arbeiten konnte. Im Seitenvergleich und in der Bewegung konnten keine Auffälligkeiten mehr festgestellt werden. Das letzte Crosstape bleibt noch, bis es sich wie die beiden anderen selbst löst.
Pferde müssen bei der Behandlung da abgeholt werden, wo sie sich wohlfühlen. Nur wenige zeigen direkt offen und vertrauensvoll wo das eigentliche Problem liegt. Als Fluchttier ist das für sie überlebenswichtig keine Schwäche zu zeigen. Es liegt am Therapeuten den richtigen Weg zu finden, um Zugang zu finden und Vertrauen zu schaffen. Das kann in einer überschaubaren Zeit klappen, kann sich aber auch über mehr als einen Termin ziehen. Wäre die Matte nicht akzeptiert wurden, hätte ich mir einen anderen Ansatz suchen müssen und gefunden. Wie heißt es so schön? Viele Wege führen nach Rom.