13/05/2025
🍏🦹🏼♀️🌳 Sehe ich genauso … 🍏🦹🏼♀️🌳
Es gehört zur Würde des Menschen, dass er nicht nur denkt, sondern dass er sich mitteilt. Und doch ist dieses Mitteilen ein zerbrechliches Geschäft: immer schwingt darin die Gefahr des Missverstehens mit, immer auch jene merkwürdige Sehnsucht, über den eigenen Horizont hinauszugreifen und das Gegenüber nicht nur zu erreichen, sondern im besten Falle zu berühren. Kommunikation – wir verwenden dieses Wort oft achtlos – ist nicht bloß Austausch von Lauten und Zeichen, sondern ein zartes Gewebe, das sich zwischen Einsamkeiten spannt.
Wer je geliebt hat, weiß, dass ein Kuss ein Text sein kann, vollendet in Syntax und Semantik, dass eine Berührung die Eindeutigkeit einer These besitzt. Und wer je gestritten hat, erkennt, dass das Streiten – das gute Streiten – ein Kunstwerk ist: ein Balanceakt zwischen Angriff und Annäherung, ein Versuch, den Abgrund der Differenz zu überbrücken, nicht zu vertiefen.
Wie armselig wäre unsere Zivilisation ohne diesen kreativen Widerspruch! Doch: Wie oft verwechseln wir Streit mit bloßem Ressentiment, wie oft sinkt die Auseinandersetzung ins Triviale, ins Abwertende, ins bloße Geräusch. Die Gegenwart – und das muss man nüchtern feststellen – ist eine Ära des mühelosen Richtens. Blogs, Kommentare, Sh*tstorms: Hier wird verurteilt ohne Anschauung, deklassiert ohne Verstehen. Man betrachtet mit gerunzelter Stirn, was einem fremd bleibt, und verwechselt den eigenen Reflex mit Urteilskraft.Dort, wo die Sprache ins Uneigentliche flüchtet, wo Ironie und Abgeklärtheit jede Form von Haltung unterspülen, dort wächst die Sehnsucht nach Worten, die Gewicht haben, die gelten, die nicht zurückgenommen werden können. Es sind jene Sätze, die – um einen Gedanken Hebbels zu paraphrasieren – „schmerzen wie ein wunder Finger“ und uns dadurch erst unsere eigene Lebendigkeit spüren lassen.
Roger Willemsen sagte einmal sinngemäß, dass der Akt des Mitteilens immer auch ein Akt der Selbstpreisgabe ist. Nur wer bereit ist, sich angreifbar zu machen, kann wirklich kommunizieren. Es gilt, den Mut aufzubringen, den „liebenden Blick“ zu bewahren, den Blick, der nicht trivialisiert, nicht ironisiert, sondern sich dem Gegenüber in ganzer Wahrhaftigkeit stellt.