28/10/2024
Können traumatische Erfahrungen „vererbt“ werden?
Eine solche Frage mag auf den ersten Blick seltsam, vielleicht auch etwas gruselig oder für manch einen gar esoterisch klingen. Und doch ist es ist eine hochspannende und wissenschaftlich sehr interessante Frage. Ich hatte kürzlich wieder einmal die großartige Gelegenheit, an einer Fortbildung bei drei der renommiertesten Traumatherapeuten und Lehrer – Dr. Peter Levine, Diane Poole Heller und Efu Nyaki – teilzunehmen. Das Thema: die inter- und transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungen. Gerade in der heutigen Zeit ein sehr wichtiges Thema und spannendes Feld, wie ich finde. Manche Themen scheinen sich von Generation zu Generation, in Familien wie auch in größeren Gesellschaften, zu wiederholen.
Wie werden solche Traumata denn von einer Generation an die nächste übertragen?
Nun, zum einen recht simpel dadurch, dass ein Elternteil sein eigenes Trauma durch emotionale Dysregulation etc. weitergibt, was das eigene Kind dann ebenso traumatisiert. Aber auch epigenetische, familiäre und soziokulturelle Faktoren spielen eine bedeutsame Rolle. Und es sind sicherlich noch längst nicht alle Übertragungswege bekannt und erforscht.
Wie kann man denn solche Traumatisierungen erkennen?
Sie erscheinen uns manchmal wie eine „unsichtbare Bedrohung“ von innen, was zu teils nebulösen Symptomen führen kann – unerklärbare Ängste und/oder Traurigkeit, Depressionen, wiederkehrende Muster destruktiver Überzeugungen, toxischer Beziehungen, oder von Alkohol- oder Drogenkonsum etc. Oft zeigen sich in Familien wiederkehrende ähnliche Verhaltensmuster über mehrere Generationen hinweg.
Sind transgenerationale Traumatisierungen heilbar?
Es gibt heute sehr gute Ansätze, derartige Traumatisierungen zu lösen – ohne dass es auf die dahinterstehende Geschichte des Einzelnen ankäme. Das Faszinierende daran ist, dass wir diese alten Belastungen dann oft nicht nur für uns selbst und unsere Kinder, sondern gleichsam auch für unsere Vorfahren mit auflösen. Es ist einfach unbezahlbar, mitzuerleben, wie Beziehungen, die durch oft jahrzehntelanges Leid geprägt waren, zunehmend ganz natürlich viel weicher und liebevoller werden dürfen.
Übrigens übernehmen wir nicht nur Traumatisierungen von unseren Vorfahren, sondern auch viel Weisheit und inneres Wissen, unsere Stärken, Talente und Erfahrungsschätze.