
21/08/2023
Deutschland rühmt sich, die UN-Konvention in Bezug auf Menschen mit Behinderungen gezeichnet zu haben.
In diesem Kontext wird immer und überall dort, wo es gerade mal en vogue scheint, von Inklusion gesprochen. Ich formuliere das ein wenig scharf, weil meine Erfahrung – gerade in der Stadt, in der ich arbeite – eine ganz andere ist.
Auch die (deutschen) Medien sind häufig voller Überschwang über die Inklusion, die in Deutschland gelebt wird. Jede politiktreibende Person ist voll des Lobes über die eigene inklusive Haltung. Gerade dann, wenn Wahlen anstehen.
Ich selbst indes erlebe das ganz anders!
Nicht nur, dass Menschen mit Behinderung größtenteils in der Verkehrspolitik mit ihren Belangen fehlen – ebenso wie die alten Menschen by the way.
Natürlich gibt es da und dort einen Beirat für Menschen mit Behinderung, der von den Behörden geschäftsführend betreut wird.
Schaue ich mir allerdings die faktischen Ergebnisse dieser Beiräte an, so sind diese eher sehr klein und nur an wenigen Stellen erfolgreich – und das nicht deshalb, weil sie nichts erreichen wollen oder könnten. „Immerhin an einigen wenigen Stellen“ könnte man sagen! Wir denken ja positiv ....!
Ich frage mich in diesem Kontext allerdings, was diese Vorgehensweise und die häufig regelrechte Blockadehaltung der Behörden und der Politik in diesem Thema wohl mit Inklusion zu tun haben könnten.
Würden nicht private Initiativen, soziale Verbände der freien Wohlfahrtspflege usw. immer und immer wieder unermüdlich aktiv werden, wäre das Thema noch leiser in der Gesellschaft!
Dazu kommt noch die unermüdliche Armada von Ehrenamtlichen, ohne die ganz oft keine Integration und schon gar keine Idee von Inklusion realisierbar wäre!
Diesen wird ja dann über den Bundespräsidenten in einer medienwirksamen (für den Bundespräsidenten) Veranstaltung der Dank der Nation zuteil. Immerhin fünf oder sieben von diesen Ehrenamtlichen – stellvertretend für tausende und abertausende unermüdlich Tätigen.
Mal eine kurze Reise von globaler Ebene in den persönlichen Bereich:
Wir starten – wenn Sie mich begleiten mögen – nicht in der Politik. Ich denke, dass hier außer puren Absichtserklärungen durchaus noch viel Luft nach oben ist, was faktische Ergebnisse und wirkliche Verbesserungen hinsichtlich eines inklusiven Deutschlands angeht.
Was mich gerade im Moment (mal wieder) total nervt, sind Sportevents, an denen Menschen mit Behinderung teilnehmen.
Wieso gibt es eigentlich die Paralympics?
Warum müssen Sportevents mit Beteiligung von Menschen mit Behinderung zu besonderen Terminen, also nicht terminlich (Achtung: Wortspiel:) gleichgestellt werden?
Wieso feiern sich die Medien eigentlich so, dass sie nach unendlicher Zeit endlich solche Sportevents auch übertragen? Sollte das nicht normal sein?
Mein größter Ärger in diesem Kontext richtet sich aber auf die Art und Weise der Berichterstattung. Ich habe bei allen Berichterstattungen mit Beteiligung von Menschen mit Behinderung sehr genau hingehört: Ich habe es tatsächlich nicht einmal erlebt, dass nicht die Krankheit, der Unfall oder sonstige Gründe, die zu eben dieser Behinderung geführt haben, in epischer Breite in den Kommentaren erwähnt werden!
Was hat das bitte mit Inklusion zu tun?
Bei jeder nicht behinderten sporttreibenden Person wird doch nicht auch wie ganz normal erwähnt, dass diese Person in der 5. Klasse sitzen geblieben ist, oder dass diese Person im Leben schon einmal eine Depression erlebt hat, oder dass diese Person Senk-Spreizfüße hat oder ein Elternteil alkoholkrank war!
Also warum muss bei Menschen mit Behinderung explizit erklärt werden, woher die Behinderung kommt und was sie bewirkt?
Meine Idee von Inklusion trifft das in keiner Weise!
Löblicherweise tut sich – zwar langsam, aber immerhin (wir denken ja positiv) – etwas in der Arbeitswelt. Vielfach muss man aber weiterhin konstatieren, dass es mit der Gleichstellung und dem inklusiven Verhalten in der Dienststelle nicht so richtig weit her ist.
Kürzlich habe ich einen Menschen im Rollstuhl vertreten, dessen Vorgesetzter mit professionellen Mobbingstrategien versuchte, ihn davon abzubringen, Beamter auf Lebenszeit zu werden.
Selbst den Amtsarzt wollte er überzeugen, dass eine Rollstuhl fahrende Person nicht verbeamtet werden kann. Wie gut, dass er damit gescheitert ist und der Kollege sehr wohl Beamter auf Lebenszeit wurde.
Wie oft berate ich Menschen – wohlgemerkt nicht Dienststellen, die wirklich gut daran täten, sich diesen Themen mal offen und zugewandt zu öffnen – die Menschen mit neurodiversen Störungen als nicht arbeitsfähig titulieren.
Und dementsprechend auch behandeln!
Meine Einlassungen, dass kleinste Veränderungen in der Dienststelle diesen Menschen eine gute Arbeitserledigung ermöglichen könnten, wird leider immer noch viel zu häufig mit einem Naserümpfen abgetan.
Wie oft höre ich, dass die Dienststelle bei Menschen mit Behinderung „einfach Grenzen hat“! Eine erhöhte Ausfallrate sei erwartbar und von der Arbeitsstelle eben nicht mehr kompensierbar.
Wenn ich nach Quellen frage, bekomme ich meistens ein Schulterzucken oder irgendwelche allgemeingültigen Aussagen!
Wundert mich nicht, denn es gibt mittlerweile eine Menge an Daten, die belegen, dass Menschen mit Behinderung nicht mehr ausfallen als Menschen ohne Behinderung. Das deckt sich auch mit meinen persönlichen Erfahrungen.
Wie oft erlebe ich in BEM-Verfahren, die ich begleite, eine fast zähneknirschende Verbohrtheit, was Arbeitszeiten angeht.
Wenn ich darauf bestehe, dass Dienstbeginn um 07.00 Uhr ist – auch wenn es dafür keine dienstlichen Notwendigkeiten wie z.B. Publikumsverkehr gibt – dann muss ich bei bestimmten Menschen mit höheren Ausfallzeiten rechnen. Hier seien beispielhaft nur zwei Situationen erwähnt:
Ein an Schmerz erkrankter Mensch, der sich morgens zunächst analgetisch medizieren muss, wird das nicht immer ganz zuverlässig so hinbekommen, dass er Punkt 07.00 Uhr auf der Matte stehen kann.
Wenn ich dann eine Flexibilisierung des Arbeitsbeginns bei dieser Person vorschlage, wird dies abgelehnt, weil ...., ja weil ....., „man das noch nie so gemacht hat“!
So geschehen in einer Stadtverwaltung, die ich wirklich sehr gut kenne. Folge: höhere Ausfallzeiten der betroffenen Person. Fast logisch möchte man sagen.
Ein an Depressionen erkrankter Mensch wird Termine früh morgens in aller Regel nicht gut einhalten können, weil er ein ausgeprägtes Morgentief hat – eines der möglichen Kardinalsymptome der Depression. Also warum nicht die Arbeitszeit etwas flexibilisieren. Natürlich nur, soweit das möglich ist.
Nun könnte ich mich hinsichtlich der Frage nach: „Inklusion – umgesetzt oder nicht!“ so richtig warm schreiben. Das lasse ich mal in dem Glauben, dass meine Idee von Inklusion mit diesen Worten transportiert werden konnte.
Mich interessiert aber vor allen Dingen, wie Ihr dies Problematik seht und was Eure Idee von Inklusion ist.
Habt Ihr womöglich Beispiele, in denen die Inklusion gut gelungen ist? Die gibt es ja (Gott sei Dank) auch!
Schreibt mir gerne in die Kommentare, was Euch zu dieser Thematik einfällt.