12/08/2025
Stille Zeugen: Kinder in Familienkonflikten
Eine Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheiten oder hin und wieder Anspannungen im Haus gehören zum natürlichen Lauf des Lebens. Steigt jedoch die Intensität dieser Konflikte an und werden die Stimmen so laut, dass sie Herzen verletzen, beginnt die Welt der stillsten Wesen im Haus – der Kinder – leise zu zerbrechen. Die Psychologie zeigt uns klar, dass eine „sichere Bindung“ eine entscheidende Rolle in der geistigen Entwicklung von Kindern spielt und dass diese Bindung in einem unruhigen häuslichen Umfeld tief erschüttert wird.
Studien belegen, dass das Stressreaktionssystem im Gehirn von Kindern, die in einem Umfeld ständiger Konflikte aufwachsen (insbesondere die Interaktion zwischen Amygdala und präfrontalem Kortex), chronisch aktiviert wird. Dies kann bei Kindern Angststörungen, Aufmerksamkeitsprobleme und sogar im späteren Leben Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle hervorrufen. Kurz gesagt: Auch wenn sie nicht direkt an den Streitigkeiten beteiligt sind, nehmen Kinder im Schatten dieser Konflikte seelischen Schaden.
In der türkischen Kultur heißt es: „Das Nest baut das Weibchen.“ Das ist keine einseitige Verantwortung für die Frau, sondern ein Sprichwort, das auf den Wert des „Zuhause-Seins“ einer Familie hinweist. Ein Zuhause wird durch Wärme, Geborgenheit und Sicherheit zu einem Zuhause. Im Islam gilt die Familie als „Anvertrautes“. Im Koran heißt es: „Und geht in Güte mit ihnen um“ (Sure an-Nisāʾ, 19), und der Prophet Muhammad (Friede sei mit ihm) sagte: „Die Besten unter euch sind diejenigen, die am besten zu ihrer Familie sind“ (Tirmidhī) – ein Aufruf zu Barmherzigkeit, Respekt und Geduld im familiären Umgang.
Psychologie und Glaube weisen hier in die gleiche Richtung: Die Familie ist die erste Welt des Kindes. Die emotionale Landkarte eines Kindes formt sich, indem es die Beziehung zwischen Mutter und Vater beobachtet. Gibt es im Haus Geschrei, Herabsetzungen oder Beleidigungen, wächst das Kind nicht mit Liebe und Sicherheit, sondern mit Angst und Unsicherheit auf. Das untergräbt auch das Fundament seiner späteren Beziehungen.
Vergessen wir nicht: Kinder erinnern sich nicht daran, worum es im Konflikt ging, sondern wie er ausgetragen wurde. Können Eltern einander mit Respekt und Ruhe begegnen, werden selbst Meinungsverschiedenheiten zu einer „Lektion in gesunder Kommunikation“. Wenn jedoch Wut und verletzende Worte überwiegen, erteilen wir eine „Lektion in seelischer Verletzung“ – und kein Elternteil möchte seinem Kind dies, bewusst oder unbewusst, beibringen.
Die Wissenschaft sagt uns also: Kinder leiden nicht nur unter direkter Gewalt, sondern auch unter ihrem Schatten. Unsere Kultur und unser Glaube sagen: Bewahrt den Frieden in eurem Zuhause, denn dieser Friede wird am tiefsten in die Herzen der Kinder geschrieben.
Ich wünsche allen unseren Familien Frieden und Glück.
Kübra Hülya Arıcı Sorrentino