07/09/2023
Besuch vom Grossneffen...
hallo kleiner Mann! Sei froh, dass Du es noch gar nicht wissen kannst: Dein Grossonkel ist nicht nur alt, sondern auch vom Aussterben bedroht. Du guckst schon traurig genug, siehst sus, sls ob Dir zum Weinen zu Mute wäre - und Dein Gefühl trügt Dich nicht: Deutschland schafft seine Vor-Ort-Apotheken ab.
Den vor Ort tätigen Apotheker in seiner Eigentümer geführten Apotheke wird es nicht mehr geben, wenn Du mal groß bist. Das ist schlecht für Dich, weil für Dich kein studierter Mensch mehr bei Fragen zu Arzneimitteln oder allgemeinen Gesundheitsproblemen vor Ort sein wird. Ja, wir haben den gesetzlichen Auftrag, 24/7 für's Volk da zu sein - und das Volk findet diese barrierefreien Anlaufstellen auch super - aber niemand will das heute noch honorieren: weder mit korrektem Verhalten, noch mit Geld. Die Apotheker fallen einfach hinten runter. Gefragt wird Doktor Google und gekauft wird beim holländischen Versandhändler.
Das geht so lange gut, wie man tatsächlich nix braucht, so lange, wie man nicht krank ist - oder so lange, bis die auf Expansion und Profit ausgelegten Algorithmen von Doktor Google Dich als uninteressant und unwirtschaftlich einsortieren oder dem holländischen Versender Deine Wünsche zu unprofitabel erscheinen. Armes Deutschland. Sieh Dir an, wie ein Land mit seinen Kranken umgeht und Du kannst erkennen, wie die Menschen so sind, die dort leben. Echte menschliche Versorgung wird zum Fremdwort. Obwohl gerade diese derzeit dringend gebraucht wird, weil Ärzte aussteigen, in Rente gehen und vorher keinen Nachfolger finden. Weil der treusorgende Hausarzt durch ein gewinnoptimierendes MVZ ersetzt werden soll - was sich prinzipiell ausschließt.
Ja, der Apotheker vor Ort hatte den gesetzlichen Auftrag, die Bevölkerung 'ordnungsgemäß' mit Arzneimitteln zu versorgen: ausreichend, zweckmässig und wirtschaftlich lt. GBA (gemeinsamer Bundesausschuss der Aussteller von Rezepten und der gesetzlichen Krankenkassen). Nun hat aber die Idee vom Sparen dazu geführt, dass Arzneimittel zunächst als (preiswertere) Nachbauten (Generika) in der EU produziert wurden, um die Produktion im nächsten Schritt von Produzenten im fernen Osten übernehmen zu lassen. Das Einfallstor für das Gewinnoptimieren wurde im Gesundheitswesen unter Federführung der Krankenkassen installiert. Das Individuum interessiert nicht mehr - allein die Masse macht's. Sonst lohnt sich der Containertransport am Ende ja nicht...
Die überregulierten Verhältnisse in der EU, besonders die in Deutschland, trafen auf die gewinnoptimierte Massenproduktion in Asien. 'Arme Länder' nutzen den Einstieg in die Arzneimittelproduktion für ihren vermeintlichen Aufstieg - koste es, was es wolle. Das ist nicht nur bei Arzneimitteln so, sondern in vielen Wirtschaftsbereichen. Die Transportwege werden immer länger und die zu bewältigenden Strecken immer mehr. Es braucht mehr Schiffe, mehr Container, mehr LKWs, mehr Straßen, mehr Schienen, mehr Energie und produziert immer mehr umweltschädliches CO2 - obwohl wir Deutschen an Zahl weniger werden. Wer kann das also am Ende bezahlen - und wovon?
Ich verrate Dir heute ein Geheimnis, lieber kleiner Mann, über das derzeit niemand sprechen oder auch nur nachdenken will: Du wirst diese Entwicklung am Ende zahlen. Dir wird es schlechter gehen als mir oder Deinen Eltern, weil es den Asiaten besser gehen wird. Weil die sich eben nicht an unsere vermeintlich die Welt rettenden Auflagen halten und uns den Status eines florierenden Industriestaates 'abkaufen' - mit Kohle- und Kernkraft als Antreiber glatt den Rang ablaufen - und den Schneid..
Inzwischen können wir Arzneimittel gar nicht mehr selbst produzieren. Weil wir die Ressourcen dafür gar nicht mehr besitzen: keine Energie und keine Menschen, die sich einer Aufgabe stellen wollen, die bei unseren regulatorischen Vorgaben unmöglich hinzubekommen wäre. Aber auch der weichgespülten menschlichen Komponente fehlt es an Produktionskraft. Denn diejenigen, die 'work-life-balance' lieben, sind dieselben, die samstags um 22 Uhr noch shoppen wollen - und keiner von denen denkt an das Leben desjenigen, der sie dann bedient.
Wenn jeder für sich selbst gut sorgt, ist für alle gut gesorgt?
Wir müssen aufhören, Tartan-Polster als Pflicht unter eine Kinderschaukel legen zu müssen, damit derjenige, der so wild schaukelt, dass er rauskippt, sich tatsächlich weh tut. Kinder müssen Erfahrungen machen dürfen - auch negative - damit sie sich in unserer Welt durchsetzen lernen. Wer immer im SUV in die Schule gefahren wird, der kann zu Fuss keine befahrene Strasse überqueren - und wer nicht jahrlang mit dem Bus zur Schule fuhr, der hat auch nie echte 'Gruppendynamik' kennengelernt.
So, kleiner Mann, pass schön auf Deine Zähne auf, wenn Du wild schaukelst. Und lerne möglichst viel über deine und von deinen Mitmenschen. Sieh zu, dass Leistung sich für den Erbringer lohnt - und dass das Gesundheitswesen (auch wenn Du mal alt bist) noch vorhanden ist. Denk' immer daran: wer einen Auftrag erteilt, der muss auch für dessen Bezahlung gerade stehen.
Ob die Vor-Ort-Apotheke noch gerettet werden kann, das hängt von dem ab, was die verfasste Apothekerschaft als freie Heilberufler nun bei der Politik an Gehör finden wird. Mal einen Tag schließen, wird nicht genug Aufmerksamkeit erzeugen.
Wenn Apotheker wirtschaftlich denken könnten, dann müssten die Preise deutlich angehoben werden - und Dienstleistungen, die neu hinzu gekommen sind, müssten extra honoriert werden. Als Beispiele seien eine Energiekostenpauschale von 1 € pro Arzneimittel ins Spiel gebracht - oder ein zeitabhängiges Honorar für Recherchen bei 'nicht Lieferbaren'.
Eines muss ich Dir am Ende noch sagen: ja, ich habe immer gern versorgt - und gerade deshalb bei uns keine 'Gewinn-Optimierungs-Maßnahmen' eingeführt. So habe ich auch fast nie das Jahres- Durchschnittseinkommen eines selbständigen Apothekers erreicht - aber ich bin zufrieden und habe mich gefreut, wenn wir auch schwierige Fälle 'ordnungsgemäß' versorgen konnten: ausreichend und zweckmässig. Und ich würde mir wünschen, dass das für mich und am besten auch noch für Dich weiterhin so bleibt. Denn unseres war und ist ein gutes System.