25/11/2018
Stellt euch nicht so an! Der ist nur etwas müde.
Wenn die Kita zur Notaufnahme wird!
Montag, es ist O8:00 Uhr und ich sehe aus dem Augenwinkel, wie die kleine Nora auf Papas Arm durch den Windfang kommt. Ich bin gerade dabei den zweijährigen Mike zu begrüßen und Familie Mustafa hat noch Fragen zum Elternabend. Links von mir an der Garderobe schreit Jakob wie am Spieß und seine Mutter scheint schlichtweg überfordert zu sein. Sie reibt hektisch einen Fleck aus ihrer Bluse und ahnt bereits, das Jakobs Fieberzäpfchen nicht anschlägt. Jetzt stehen Nora und ihr Papa vor mir. „So, hier kommt die Nora“, sagt er energisch und leicht nervös. Nora sagt kein Wort, ihre Wangen sind rot und als ich Sie auf den Arm nehme, spüre ich bereits ihre heiße Stirn. Noras Augen sind glasig und aus ihrer Nase gleiten grüngelbe Tentakel. „Nora scheint krank zu sein“, sage ich und der Vater schaut mich genervt an. „Sie ist nur etwas müde“, sagt er, küsst Nora auf die Stirn und flüstert ihr traurig zu, „Papa muss zu einem wichtigen Meeting“. Die Botschaft galt wohl eher mir als Nora und ich spüre das schlechte Gewissen des Vaters. Gleichzeitig bin ich ärgerlich und rufe „Herr Milberg, ich glaube Sie sollten Nora wieder mit nach Hause nehmen. Sie scheint Fieber zu haben und sich sehr unwohl zu fühlen!“.
In diesem Moment ruft mir meine Kollegin Klara zu, dass zwei ihrer Kinder Scharlach haben und auch meine Leitung flüstert im vorüber gehen, dass ein Kind der Sterntalergruppe Ringelröteln hat und die Zwillinge der Seepferdchen Magen-Darm. Herr Milberg ruft mir zu, ich solle einfach anrufen, wenn etwas sei und eilt aus der Tür. Jakob sitzt immer noch weinend auf dem Bänkchen vor der Garderobe, seine Mutter ist bereits gegangen (ohne Übergabe, ohne sich zu verabschieden) und ich setze mich zu ihm. Er glüht und schwitzt. Während ich ihn tröstend in die Arme nehme schüttelt Familie Mustafa den Kopf und sagt, „Kinder sollten wichtiger sein als der Job!“. Ich schmunzele bedrückt und beobachte, das Noras Augen sich schließen und ihr Körper zusammensinkt.
Ein Vater stampft genervt durch den Flur und brummt, „Mein Kind ist nicht krank! Das ist doch Schikane, jetzt kann ich wegen euch nicht arbeiten gehen!“. Eine andere Kollegin diskutiert an der Gruppentür mit einer Mutter darüber, wann KRANK wirklich KRANK ist und die Leitung hält frustriert eine Gesundschreibung vom Kinderarzt in den Händen, während Familie Lobermann triumphierend die hustende Johanna an die verdutzte Kollegin der Sterntaler überreicht. Noch am gleichen Tag lassen wir Johanna wieder abholen. Die Eltern fahren ins Krankenhaus…Lungenentzündung! Jakob liegt den ganzen Vormittag in der Kuschelecke und sagt kein Wort. Seine Augen strahlen Erschöpfung und Verzweiflung aus. Noras Papa ging nicht ans Telefon und die Zwillinge kamen bereits am nächsten Tag wieder. Auch Jakob sitzt am Dienstag wieder zusammengesunken mit Mama im Flur und Noras Papa winkt mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Arzt. Am Mittwoch melden sich dann vier Kolleginnen krank. Resultat: Notfallplan, Kinderzahlen werden reduziert, Öffnungszeiten gekürzt und alle sind ärgerlich und frustriert.
Wir wollen doch den Eltern keine Steine in den Weg legen, sie nicht in ihrer beruflichen Selbstentfaltung beschneiden oder gar ein schlechtes Gewissen erzeugen. Wir wollen doch niemanden schikanieren oder bevormunden. Wir wünschen uns Schutz, Gesundheit und Geborgenheit für alle Beteiligten. Wir dürfen nicht Gefahr laufen, dass eine Kita wie selbstverständlich einen „Wartezimmer-Charakter“ (wie beim Arzt) erhält und kranke Kinder in der Kita zur „Normalität“ werden. Wir wollen Eltern nicht diskriminieren, doch möchten wir auch verhindern, dass kranke Kinder zum leidvollen Spielball des beruflichen Drucks werden. Wir wollen zum Wohle ALLER handeln und erhoffen uns Verständnis von den Eltern. Wir wollen nicht ständig für das SELBSTVERSTÄNDLICHSTE auf der Welt kämpfen müssen, indem wir Eltern bitten, den eigenen kranken Kindern zu Hause eine erholsame Fürsorge zu bieten. Wir wollen nicht, dass Kinder durch die fehlende Fürsorge chronische Krankheitsbilder entwickeln oder im Krankenhaus landen und aus einem immer wieder angesprochenen Husten eine Lungenentzündung wird.
Wenn es den Eltern selbst nicht gelingt das gesundheitliche Wohl des eigenen Kindes, sowie aller anderen Kinder und Kollegen/innen zu schützen, dann ist es Zeit für ! Betreuung um jeden Preis…, NEIN Danke! Wir sind und wir vollbringen unsere Heldentaten zum Wohle der Menschen. Das ist nicht bösartig, nicht gemein oder ungerecht, sondern ehrenwert und lobenswert.
Dies ist von den