12/01/2020
Trennung und Trauma
Eins sei klar gestellt: gut, dass Trennungen/ Scheidungen heutzutage viel einfacher sind, als sie es jemals waren. Natürlich soll niemand in einer Beziehung bleiben, die ihn/sie zerstört oder keinerlei Perspektiven mehr bietet.
Aber dann ist da noch die Kehrseite vieler Trennungen. Eine Kehrseite, die ich in meiner täglichen Praxis immer wieder erlebe, besonders wenn Kinder im Spiel sind und die viele Getrennte auch irgendwann an ihrer Entscheidung zweifeln lässt. Nach dem Motto: Habe ich/ haben wir zu früh aufgegeben? Hätten wir nicht mehr oder früher etwas für unsere Beziehung tun können? (Sie war ja in der Regel lange gut.)
Aus meiner Praxis kann ich nur bestätigen, dass es sich lohnt, um eine an sich gute Beziehung zu "kämpfen". Oftmals geben Paare zu früh auf, oder sehen in der Verlockung einer neuen Beziehung die große Chance. Leider wird jede Beziehung irgendwann "schlechter" und erfordert ein "Ja" von beiden Seiten und eine gewisse "Arbeit". Genau hier kann Paartherapie / -Beratung helfen und unterstützen! Denn:
Die langfristigen Konsequenzen einer Trennung/ Scheidung spüren die meisten erst, wenn das "Kind" in den Brunnen gefallen ist.
Viele Partner sind durch das (oftmals lange) Trennungs-geschehen selbst regelrecht traumatisiert. Besonders, wenn nur eine Seite die Trennung wollte (dies ist besonders häufig, wenn eine dritte Person in die Beziehung kommt). Ein Lebensentwurf bricht zusammen, sämtliche gemeinsam aufgebauten und ausgefüllten Lebensbereiche verändern sich und sehr häufig kommen noch wirtschaftliche - manchmal existentielle - Probleme dazu.
Diese Folgen zeichnen sich allerdings erst langsam in ihrer ganzen Dramatik ab und erschüttern das ganze (Familien-) System nachhaltig. Besonders schwer wird es oft durch die "Aufteilung" der Kinder/ des Kindes. Ich habe kaum ein Kind - unabhängig vom Alter - erlebt, welches nicht unter der Trennung der Eltern leidet. Natürlich hängt dies maßgeblich davon ab, wie einvernehmlich und respektvoll die Eltern miteinander umgehen und wie stark die spürbaren Veränderungen für das Kind sind.
Viele Kinder leben fortan in zwei voneinander getrennten Welten und wechseln in bestimmten Rhythmen von einer Mamawelt in eine Papawelt. Manchmal wissen die Eltern herzlich wenig darüber Bescheid, was in der jeweils anderen Welt geschieht. Dort lebt es in einem komplett anderen Umfeld, mit anderen Regeln und anderen Bezugspersonen. Manche Kinder wechseln sogar wöchentlich den Kindergarten.... .
Und dann kommen die (manchmal diversen) neuen Partner*innen der Eltern ins Spiel. Teilweise auch die wieder mit eigenen Kindern oder das "neue" Paar bekommt selber wieder ein Baby.
Häufig kommen diese Paare in die Beratung /Therapie, weil sie mit den vielfachen Verflechtungen in ihrer neuen Partnerschaft hadern: Seine Kinder mögen Sie nicht, ihre Kinder sind eifersüchtig auf das neue Baby, die Kinder werden vom jeweils anderen Elternteil instrumentalisiert, Erziehungsstile passen nicht zueinander, es bleibt wenig Zeit für das "junge" Liebesglück....und schon ist die nächste Krise und auch oftmals Trennung vorprogrammiert. Und diesmal gehen die Paare in Therapie... .Denn sie wissen bereits, was auf dem Spiel steht!
Allerdings wird eine Paartherapie dann häufig zu einer Familientherapie, da immer mehr (mitleidenden) Akteure im Spiel sind...