27/05/2025
Parkinson und Sexualität: Was sich verändert – und was helfen kann
Magdalena Riederer, HealthHeld.de
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Parkinson hat Auswirkungen auf viele Bereiche – auch auf das Sexualleben. Während die Auswirkungen der Krankheit auf den Alltag oft thematisiert werden, bleibt der Einfluss auf Intimität und Sexualität häufig unerwähnt. Dabei ist dies ein zentraler Aspekt der Lebensqualität, der nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Parkinson und das Sexualleben
Parkinson ist mit einer Vielzahl von Symptomen verbunden, die sich direkt oder indirekt auf die Sexualität auswirken. Das wird auch durch Zahlen deutlich: Sexuelle Probleme treten bei Menschen mit Parkinson etwa doppelt so häufig auf und das Risiko dafür ist sogar um das 3,5-Fache erhöht.
Typische motorische Symptome wie Zittern, Muskelsteifheit und verlangsamte Bewegungen erschweren oft die körperliche Intimität. Simple Gesten wie Umarmen oder Streicheln kosten mehr Kraft und können sich auch ungewohnt anfühlen. Bewegungen, die für sexuelle Aktivitäten notwendig sind, können anstrengend, unangenehm oder sogar unmöglich werden.
Doch die Herausforderungen beschränken sich nicht auf die Motorik, denn nicht-motorische Symptome spielen eine ebenso wichtige Rolle. Bei vielen Menschen, die an Parkinson erkrankt sind, treten Depressionen und Angstzustände auf – beides kann das sexuelle Verlangen erheblich verringern. Darüber hinaus kann chronische Erschöpfung, die etwa die Hälfte der Parkinson-Patient:innen betrifft, die für intime Momente benötigte Energie reduzieren. Nicht zuletzt können kognitive Beeinträchtigungen, wie sie bei einer begleitenden Demenz vorkommen, das sexuelle Interesse verringern.
Der zentrale Mechanismus hinter diesen Problemen ist der Dopaminmangel, der durch das Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn entsteht. Dopamin spielt eine Schlüsselrolle in der Regulierung von Sexualfunktionen wie Libido und Erektion. Wenn zu wenig Dopamin vorhanden ist, kann daher auch die Sexualität leiden.
Medikamente zur Behandlung von Parkinson können die Sexualität ebenfalls beeinflussen – positiv wie negativ. Während Dopaminagonisten in manchen Fällen die Libido steigern, führen sie in anderen zu sexuellen Problemen, indem sie etwa Nebenwirkungen wie Hypersexualität oder Schwierigkeiten beim Or****us mit sich bringen.
Dieses Spektrum an Einflüssen macht sexuelle Probleme bei Parkinson zu einem komplexen Thema.
Häufige Veränderungen im Rahmen von Parkinson
Jede Person erlebt Parkinson anders. Dennoch treten bestimmte Veränderungen gehäuft auf. Neben den genannten Problemen zeigen sich vor allem Erektionsprobleme, Trockenheit und Scheidenkrämpfe, Or****usschwierigkeiten, Veränderungen in der Libido und sexuelle Unzufriedenheit gehäuft bei Menschen mit Parkinson. Männer sind dabei nachweislich häufiger und stärker von sexuellen Beeinträchtigungen betroffen als Frauen.
Veränderungen spezifisch bei Männern
Bis zu 80 % der Männer mit Parkinson haben Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen oder zu halten. Diese Probleme sind durch gestörte neurologische Signale, Gefäßveränderungen oder Medikamente bedingt. Erektionsstörungen können sogar ein frühes Anzeichen von Parkinson sein, das bis zu fünf Jahre vor der Diagnose auftritt.
Veränderungen spezifisch bei Frauen
Bei Frauen mit Parkinson kommt es häufig zu einer Verminderung der Scheidenfeuchtigkeit, was den Geschlechtsverkehr schmerzhaft macht.
Ursächlich dafür können mehrere Umstände sein: Zum einen spielen hormonelle Faktoren eine Rolle, insbesondere bei älteren Patientinnen, bei denen zusätzlich die natürliche Östrogenproduktion sinkt. Zum anderen stört Parkinson auch das autonome Nervensystem, das für die Regulation der Scheidendurchblutung und Feuchtigkeitsbildung mitverantwortlich ist. Hinzu kommt, dass viele betroffene Frauen ihre sexuelle Erregung schwächer wahrnehmen und so weniger Feuchtigkeit produzieren.
Ebenso kann Parkinson zu einer unwillkürlichen Verkrampfung der Scheidenmuskulatur führen, die das Eindringen schmerzhaft oder unmöglich macht (Stichwort Vaginismus).
Diese Reaktion beruht auf verschiedenen Ursachen: Einerseits kann die Muskelsteifheit auch den Beckenboden betreffen. Andererseits führen veränderte Nervenreize oder eine verminderte Wahrnehmung zu einer erhöhten Anspannung im Intimbereich. Auch psychische Belastungen wie Angst oder Scham spielen eine Rolle.
Veränderungen bei Männern und Frauen
Während viele Betroffene die Lust verlieren, kann eine dopaminerge Therapie in einigen Fällen auch zu zwanghaftem Sexualverhalten führen. Diese unerwünschte Nebenwirkung tritt häufiger bei Männern auf und kann unter allen Dopaminagonisten auftreten. Besonders häufig wurde sie bei Pramipexol und Ropinirol beobachtet.
Außerdem können verlangsamte Nervenreaktionen und unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten das Erreichen eines Höhepunkts erschweren. Solche Or****usstörungen kommen bei beiden Geschlechtern mit Parkinson recht häufig vor – wissenschaftlichen Schätzungen zufolge betrifft es etwa ein Drittel bis drei Viertel.
Die Kombination aus körperlichen Einschränkungen und emotionalen Belastungen führt oft dazu, dass Betroffene und ihre Partner:innen weniger Freude an Intimität empfinden. Sexuelle Unzufriedenheit ist also leider vorprogrammiert.
All diese Veränderungen beeinflussen auch die Dynamik in der Partnerschaft. Partner:innen fühlen sich manchmal überfordert oder unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Eine offene Kommunikation wird hier zur Herausforderung – und zur Chance.
Ansätze zur Verbesserung der Situation
Besonders wichtig ist es, sexuelle Veränderungen frühzeitig anzusprechen. Denn trotz der Herausforderungen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Sexualleben positiv zu beeinflussen.
Medizinische Hilfe
• Medikamentenanpassung: Wenn Erektionsprobleme oder Libidoverlust mit Parkinson-Medikamenten zusammenhängen, sollte die Dosierung oder der Medikamententyp überprüft werden. Zudem sind für Männer oft PDE-5-Hemmer hilfreich, für Frauen können sich Gleitmittel oder Hormonbehandlungen eignen.
• Nebenbeschwerden behandeln: Depressionen, Angst oder Müdigkeit lassen sich mit Psychotherapie und/oder Medikamenten lindern, was das Sexualleben indirekt verbessern kann. Auch die Behandlung kognitiver Einschränkungen könnte das sexuelle Interesse steigern.
Alltägliche Strategien
• Physiotherapie: Gezielte Übungen verbessern die Beweglichkeit und erleichtern körperliche Intimität. Physiotherapeut:innen können Tipps zu geeigneten Stellungen geben. Spezialisierte Sexualtherapie bietet zudem individuelle Lösungen.
• Hilfsmittel: Von ergonomischen Kissen über Gleitmittel bis hin zu Vibratoren – es gibt zahlreiche Hilfsmittel, die die sexuelle Aktivität erleichtern können.
• Timing nutzen: In „On-Phasen“, wenn Medikamente optimal wirken und Symptome geringer sind, fällt Sexualität oft leichter. Diese Zeitfenster sind ideal für intime Momente.
Kommunikation und Partnerschaft
Offene Gespräche sind essenziell, um Bedürfnisse, Ängste und Wünsche zu teilen. Partner:innen können nur ermutigt werden, viel nachzufragen. Die Symptome von Parkinson verändern sich im Krankheitsverlauf und somit auch die sexuellen Bedürfnisse. Daher sind Flexibilität und laufende Kommunikation besonders gefragt.
Die Beeinträchtigung der Sexualität kann Partnerschaften belasten, doch Studien zeigen, dass positive Aspekte wie Kommunikation, Zärtlichkeit und gemeinsame Aktivitäten nach der Diagnose an Bedeutung gewinnen – besonders bei Frauen. Manche Paare entdecken neue Formen der Intimität wie Kuscheln oder Massagen, die weniger von körperlicher Leistung abhängen. Parkinson kann so ein Anstoß sein, Intimität neu zu definieren.
Abschließende Worte
Die Parkinson-Erkrankung stellt das Sexualleben vor Herausforderungen, doch sie bedeutet nicht das Ende von Intimität. Medizinische und therapeutische Ansätze, Hilfsmittel sowie eine offene Kommunikation bieten Wege, die Situation zu verbessern. Wichtig ist, das Thema nicht zu tabuisieren und frühzeitig mit den behandelnden Ärzt:innen und Therapeut:innen zu besprechen; Unterstützung ist in vielen Ausprägungen verfügbar. Sexualität bleibt ein wertvoller Teil des Lebens, auch mit Parkinson.
QUELLEN
Buhmann C. Prevalence, clinical presentations and impact on relationship of sexual dysfunction in Parkinson's Disease. Int Rev Neurobiol. 2022;162:1-19. doi: 10.1016/bs.irn.2021.12.001. Epub 2022 Jan 26. PMID: 35397782.
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