24/10/2024
Ich hatte meine Akteneinsicht in meine Adoptionsvermittlungsakte im Jugendamt, indem meine Adoption- eine Inkognitoadoption, abgewickelt wurde.
Ich bin zutiefst dankbar, für diese Möglichkeit, die mir dort Vorort gegeben wurde und die warmherzige, ehrliche und wertschätzende Begleitung an diesem Tag.
Ich bin danach erst einmal sehr krank geworden und mir wurde wieder einmal mehr bewusst, wie stark mich meine eigene Geschichte immer noch und vor allem körperlich bewegt. Zwei Wochen lag ich mit einer starken Erkältung und Grippesymptomen im Bett und musste mich erst mal körperlich erholen.
Zuvor bin ich sehr locker in meinen Termin gekommen, den ich ursprünglich nur vereinbart hatte, um sagen zu können, dass ich auch mal Akteneinsicht genommen habe, überzeugt vom Glauben, eh nichts Neues erfahren zu können, da ich bereits schon vor über 20 Jahren meine leiblichen Eltern ausfindig machen und Kontakt aufnehmen konnte.
Damals hatte ich das Standesamt in meinem Geburtsort, mit meiner besten Freundin aufgesucht- nicht das Jugendamt und der Mann am Schalter ist nach meiner „Bitte“ um Herausgabe der Namen meiner leiblichen Eltern kurz verschwunden und hat mir, als er wieder kam, zwei Zettel in die Hand gedrückt, auf denen die Namen und die damaligen Adressen meiner Eltern standen. Die Recherche nach der Telefonnummer meiner Mutter hat mich einigen Aufwand gekostet, aber ich habe sie herausgefunden, was mir zu Hause mit meinen Adoptiveltern eine Menge Ärger eingehandelt hat. Da mein 2 Jahre jüngerer Bruder zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass er adoptiert war, waren meine Eltern sehr wütend über das Risiko, dass er es durch meine Rechercheaktivitäten herausfand und nicht durch ihre Aufklärung und sie untersagten mir jedwede Rechercheaktivität von zuhause aus. Ohne mir ihre Unterstützung anzubieten, aber dafür mit der für mich untrüglichen Botschaft, dass das was ich tat nicht in Ordnung sei. Das war damals ein harter Schlag für mich. Einer von vielen.
Im Jugendamt und im Gespräch mit Betreuerin, die aktuell für die Akteneinsichtsbegleitung zuständig ist, habe ich so viel Neues erfahren, dass ich es kaum glauben konnte.
Ich wusste, bis auf die Identitäten meiner leiblichen Eltern, nichts von alledem. Meine Adoptiveltern hatten mir nie etwas davon erzählt.
Besonders schockiert- oder sagen wir besser berührt, hat mich die Tatsache, dass es ein Ganzes Jahr mit 2 verschiedenen Pflegestellen, Heimaufenthalten und einem Krankenhausaufenthalt mit unbekanntem Hintergrund gab. Das hatte ich nicht gewusst, aber anders als der Versuch in meinem Gedächtnis Erinnerungen daran zu finden, hat in diesen Momenten mein Körpergedächtnis stark reagiert und all diesen neuen Informationen zugestimmt. Diese Zustimmung meines Körpersystems habe ich als sehr erleichternd empfunden. Auch dass mich meine leibliche Mutter mit 2 Jahren 3 Tage alleine und unversorgt in der Wohnung zurückgelassen hat und das Jugendamt durch eine Meldung von Nachbarn davon erfuhr und mich in Obhut nahm, wusste ich nicht. Es waren heftige Informationen und doch taten sie mir gut.
Endlich passten meine Symptome ( vor allem beim Essen und Trinken), mein mangelndes Vertrauen in die Menschen (sogar in meine Adoptiveltern) und den damit verbundenen Herausforderungen in meinem Leben zu meiner Geschichte, die ich rückblickend betrachtet gerne früher so detailliert gewusst hätte.
Mein Fazit: Es ist keine gute Idee, die Akte so spät einzusehen, denn vieles wäre leichter zu bearbeiten, zu integrieren und zu heilen gewesen, hätte man die Fakten, nicht so wie ich, durch „Try and Error“ herausfinden, sondern gezielt zuordnen können.
Insofern war diese Akteneinsicht ein Riesen Geschenk und ein Erkenntnisgewinn von unschätzbarem Wert für mich.
Ich bin wirklich sehr dankbar dafür.
Das ich meine Eltern schon vor Jahren kennengelernt hatte, wollte ich eigentlich im weiteren Gesprächsverlauf mit meiner Beraterin noch anhängen, denn sie ging erst mal davon aus, dass ich nichts weiss und bot mir an, Kontakt zu meinen leiblichen Eltern aufzunehmen, aber ich bin aufgrund der vielen, für mich neuen Informationen etwas aus der Bahn geraten und hatte Mühe, meine aufkommenden Emotionen Ihr nicht unkontrolliert entgegen zu schleudern. Deshalb behielt ich es für mich.
Ich hoffe sehr, dass Sie mir das nachsehen kann und sich von mir nicht hinters Licht geführt fühlen, denn das war ganz und gar nicht meine angestrebte Absicht und ich habe das im Nachgang in einer persönlichen Email an sie, richtiggestellt und erklärt. Das musste ich auch, denn zum Abschied hatte ich ihr mein Buch geschenkt und spätestens beim Lesen wäre ihr aufgefallen, dass ich den Kennenlernprozess mit meinen leiblichen Eltern schon hinter mir hatte und würde wissen, wie genau er jeweils damals abgelaufen ist und was das mit mir gemacht hat.
Falls Du noch keine Akteneinsicht genommen hast, kann ich es Dir nur wärmstens ans Herz legen. Allerdings empfehle ich Dir, Dich dabei von einer Vertrauensperson begleiten und unterstützen zu lassen, die in der Lage ist, Dir einen bewertungsfreien Raum zu halten und für Dich da sein kann, ohne ihre eigenen Themen mit einzubringen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, meine Adoptiveltern mit zu meiner Akteneinsicht mitzunehmen, denn unser Beziehung hat es nie geschafft ein wirkliches Verbundenheitsgefühl und ein tiefes Vertrauen in mir auszulösen und der Loyalitätskonflikt in dem ich mich befand und in dem sich viele adoptierte Menschen befinden, hätte eine störungsfreie Informationsaufnahme und eine innere Überprüfung mit anschliessender Integration ins Körpersystem verhindert oder zumindest verzögert.
Nur sehr wachen Adoptiveltern gelingt es, diesen Raum zu halten und das Kind nicht mit ihren eigenen, unverarbeiteten Themen, noch zusätzlich zu belasten.
In meinem Kursprogramm für Adoptivmütter, durfte ich schon einige von ihnen kennenlernen und begleiten. Ihre Entwicklung, ihre geänderten Sichtweisen und Einstellungen, ihr Wissen, die erlernten Handlungsoptionen und die Auseinandersetzung mit eigenen Themen und deren positive Integration ins Familienleben, sind nach diesem Programmdurchlauf von unschätzbarem Wert für die weitere Entwicklung ihrer Adoptivkinder.
Das bekomme ich auch oft von ihnen zurückgemeldet, da ich nach Abschluss des Kurses, allen Adoptivmüttern kostenfreie, regelmässige Treffen 1 mal im Monat anbiete, um gemeinsam mit ihnen ,unter Gleichgesinnten, an allen wichtigen Themen dranzubleiben und sie wiederholen zu können, denn nur angewandtes Wissen, ist wirklich wertvolles und nachhaltig hilfreiches Wissen.
Bei Interesse zum Mamapower Kurs - Energie und Orientierung für Adoptivmütter gerne auf meiner Webseite nachsehen. Den Link setze ich in die Kommentare.
Danke für die Zeit, die Du Dir genommen hast um das zu Lesen!
Von Herzen, Linda Dorday