12/12/2024
Kausale Therapieansätze bei trockenem Auge in der Pipeline
Die Meibom-Drüsen-Dysfunktion ist eine der häufigsten Ursachen für trockene Augen. Selensulfid kurbelt die Talgproduktion an und wirkt der Verhornung der Drüsenausführungsgänge entgegen. Auch eine Therapieoption bei Demodex-Milbenbefall wurde beim Ophthalmo-Update vorgestellt.
Wie gerade beim Ophthalmo-Update zu erfahren war, dürfte es demnächst für zwei Augenerkrankungen, die mit einer Sicca-Symptomatik einhergehen, neue Behandlungen mit kausalem Ansatz geben: Selensulfid-Augensalbe für die Behandlung bei Meibom-Drüsen-Dysfunktion (MDD) und Lotilaner-Augentropfen, die den verantwortlichen Milben bei Demodex-Blepharitis den Garaus machen.
Neben Lidkantenpflege, konservierungsstofffreien, lipidhaltigen Augentropfen und anti-entzündlich wirkenden topischen oder systemischen Antibiotika – Azithromycin lokal, Doxycyclin oral – gehört laut Professorin Elisabeth Messmer, Augenzentrum LMU München, inzwischen auch die Lichttherapie mit intensivem gepulstem Licht zum Behandlungsstandard bei MDD.
Mit lipidhaltigen Tränenersatzmitteln – Rizinusöl, Paraffinöl, Triglyzeride, Phospholipide, Perfluorhexyloctan – sei die Ophthalmologie in Deutschland „wirklich sehr gesegnet“, betonte die Augenärztin. „In vielen anderen Ländern gibt es fast keine lipidhaltigen Tränenersatzmittel auf dem Markt, die auch gezeigt haben, dass sie tatsächlich in der Behandlung des trockenen Auges, vor allem des evaporativen trockenen Auges sehr sinnvoll sind.“ In den USA sei erst jetzt erstmals ein solches Produkt als Medikament zugelassen worden, und das „zu horrenden Preisen“.
Meibom-Drüsengänge wieder durchgängig
Eine kausale Therapie fehlt bislang. Das könnte sich künftig ändern. So hat ein Forschungsteam in einer randomisiert-kontrollierten, doppelt-verblindeten Phase-II-Studie 245 Personen mit MDD mit zwei Konzentrationen einer Selensulfid-Augensalbe (AS) oder allein mit der Vehikelsubstanz als Placebo behandelt (Watson SL et al., Ocul Surf. 2023;29:537-546).
Selensulfid regt nicht nur die Talgproduktion an, es hat keratolytische und keratostatische Effekte. „Wir wissen: Die Keratinisierung der Meibom-Drüsen-Ausführungsgänge ist ein wichtiges pathogenetisches Ereignis“, sagte Messmer. Die Salbe wurde drei Monate lang zweimal pro Woche auf das Unterlid aufgebracht.
Unter Behandlung mit der 0,5-prozentigen AS – sie funktionierte am besten – kam es zu einer signifikanten Zunahme durchgängiger Meibomdrüsen und einer signifikanten Symptomverbesserung. Letztere erfassten die Forschenden über den OSDI-Score (Ocular Surface Disease Index).
Er fragt unter anderem nach der Häufigkeit von Fremdkörpergefühl oder Brennen, Auswirkungen auf das Sehen, etwa beim Lesen, nächtlichem Autofahren oder Arbeiten am Computer und nach Reaktionen auf äußere Einflüsse wie Wind oder Klimaanlagen.
Nebenwirkungen waren überwiegend mild. „Allerdings brachen 13,4 Prozent der Patienten die Behandlung wegen Nebenwirkungen ab.“ Das bleibe künftig erst einmal zu beobachten, sagte die Augenärztin.
Milben bei jedem Zweiten verschwunden
Menschen mit Lidrandentzündungen aufgrund eines Befalls mit Demodex-Milben können auf Basis einer randomisierten, doppelt-verblindeten, Vehikel-kontrollierte, Phase-III-Studie (Gaddie IB et al., Ophthalmology. 2023;130(10):1015-1023) künftig auf Lotilaner hoffen, ein Antiparasitikum, das selektiv parasiten-spezifische Gamma-Aminobuttersäure-Chlorid-Kanäle blockiert und so die Milben lähmt und tötet.
Als 0,25-prozentige Lösung bei 203 der 412 Teilnehmenden sechs Woche lang zweimal täglich verabreicht, führte es im Vergleich zum Vehikel mit 51,8 gegenüber 14,6 Prozent signifikant häufiger zu einer Demodex-Eradikation und mit 31,1 versus neun Prozent auch signifikant häufiger zur Abheilung des Liderythems.
Statistisch signifikant war auch der Rückgang der Colleretten. Die manschettenartigen Ablagerungen an der Wimpernbasis verschwanden bei 56 gegenüber 12,5 Prozent der Behandelten ganz und wurden bei 89,1 gegenüber 33 Prozent deutlich weniger. Die Compliance war gut: 98,7 Prozent hielten sich an das Tropfregime, 90,7 Prozent empfanden die Tropfen als „neutral“ bis „angenehm“.