15/11/2025
Erneute Verschiebung der TI-Pflicht – ein Offenbarungseid der Digitalisierungspolitik
Die Regierungsparteien haben im Deutschen Bundestag beschlossen, die Pflicht zur Anbindung der Heilmittelerbringer:innen an die Telematikinfrastruktur (TI) vom 1. Januar 2026 auf den 1. Oktober 2027 zu verschieben.
Am 6. November 2025 einigten sich CDU, CSU und SPD im Rahmen eines Änderungsantrags zum „Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege“ auf diese weitere Verzögerung. Ein fatales Signal: Stimmen der Vernunft wurden erneut ignoriert.
„Eine weitere Verschiebung der TI-Anbindung wirft die ohnehin schleppende Digitalisierung des Gesundheitswesens um Jahre zurück“, warnt Bundesvorsitzende Manuela Pintarelli-Rauschenbach. „Wer es mit der Digitalisierung ernst meint, darf sie nicht ständig vertagen. Dieses politische Zögern blockiert Fortschritt, verunsichert Betriebe und verspielt Vertrauen.“
Seit Jahren vorbereitet – jetzt eiskalt ausgebremst
Der VPT hat seit über einem Jahr umfassend informiert, geschult und für die TI-Anbindung sensibilisiert. Viele Praxen haben rechtzeitig investiert, geschult und aufgerüstet – in der festen Überzeugung, dass die Politik zu ihren eigenen Fristen steht. Diese Betriebe werden nun für ihre Verlässlichkeit bestraft. Wer bereits an die TI angeschlossen ist, nutzt heute schon konkrete Vorteile:
- Kommunikation im Medizinwesen (KIM) ermöglicht schnelle, digitale Rückfragen,
- Verordnungen und Befunde können zügig und fehlerfrei digital übermittelt werden,
- Therapiezeit wird zurückgewonnen, statt sie in Papierberge und Nachfragen zu investieren.
Doch anstatt diesen Fortschritt zu honorieren, zieht die Politik die Notbremse – zum Nachteil aller, die Verantwortung übernommen haben.
Ein Schlag ins Gesicht der PT-Praxen – und ein Rückschritt für das Gesundheitswesen
Die Begründung für die Verschiebung – die noch nicht flächendeckend eingeführte elektronische Verordnung (eVO) – ist fadenscheinig. Fakt ist: Jede weitere Verzögerung vergrößert den wirtschaftlichen Schaden für alle Praxen, die frühzeitig in Hardware, Software, Datensicherheit und TI-Komponenten investiert haben. Dazu kommt: Die beantragte Karte (SMC-B) ist nur fünf Jahre gültig – wer frühzeitig gehandelt hat, steht nun vor einem Ablaufdatum.
In vielen Praxen herrscht ohnehin ein bürokratischer Ausnahmezustand: komplizierte Rezeptprüfungen, Medienbrüche zwischen digitaler Arztpraxis und analoger Verordnung, doppelte Datenerfassung und analoge Quittungen. Diese Verschiebung zementiert genau diesen Zustand – statt ihn zu überwinden. „Viele Praxen haben investiert, geschult und vorbereitet. Sie jetzt erneut auf die Wartebank zu setzen, ist nicht nur unfair, sondern ein Schlag ins Gesicht aller, die Verantwortung übernommen haben“, so Pintarelli-Rauschenbach.
Versagen mit Ansage
Schon jetzt gibt es massive Lieferengpässe bei den erforderlichen TI-Karten. Gleichzeitig haben sich Dienstleister, Softwarehäuser und IT-Anbieter mit großem Aufwand auf die Anbindung der Praxen vorbereitet – Mitarbeitende geschult, Infrastruktur aufgebaut und Geräte beschafft. Mit der Verschiebung drohen Stillstand, Entlassungen und Investitionsverluste. VPT-Fachgruppenleiter Digitalisierung/TI Toralf J. Beier bringt es auf den Punkt: „Die Verschiebung sendet ein verheerendes Signal: Wir schaffen es nicht (pünktlich). Der versprochene digitale Fortschritt wird weiter vertagt – und der Mehrwert rückt für die engagierten Praxen in weite Ferne. Die Politik hat es versäumt, der Branche den Nutzen der Digitalisierung ehrlich zu vermitteln und sie konsequent umzusetzen.“
Fazit: Wer ständig verschiebt, hat kein Digitalisierungsproblem – sondern ein Führungs- bzw. Umsetzungsproblem.
Mit dieser Entscheidung verabschieden sich die Verantwortlichen einmal mehr von ihrem eigenen Anspruch, das Gesundheitswesen zu modernisieren. Die Leidtragenden sind die, die längst bereit sind, endlich digital zu arbeiten – und nun ein weiteres Mal auf der Strecke bleiben.